Klassentreffen (German Edition)
überstanden – wenn auch mehr schlecht als recht. Seufzend ließ sie sich auf die Couch fallen. Meike nahm neben ihr Platz und legte ihren Arm um sie.
»Ach, jetzt dürfen wir wieder?«, schnappte Franzi. »Jetzt, wo uns keiner mehr sehen kann, wo keine Gefahr mehr besteht?«
»Franzi, du weißt doch genau, warum.« Meike drückte ihr sanft einen Kuss auf die Wange, aber Franzi schob sie beiseite.
»Lass das. So einfach geht das nicht. Du kannst mich nicht an- und ausstellen, wie es dir gerade passt.« Sie war selbst nicht auf die Heftigkeit vorbereitet, mit der die Wut plötzlich in ihr brodelte. Ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handfläche, bis tiefe Abdrücke entstanden.
»War es denn so schlimm?«
Franzi zog hörbar die Luft ein. »Ehrlich gesagt, ja. Es war der schlimmste Tag für mich seit langem.« Sie musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht zu schreien.
»Das tut mir leid.« Meike suchte den Blickkontakt zu Franzi.
»Wenn es dir wirklich leidtun würde, dann würdest du etwas daran ändern«, versetzte Franzi kalt.
»Ich kann das nicht. Verstehst du das denn nicht?«
»Was kannst du nicht? Deiner Familie sagen, dass es doch jemand gibt in deinem Leben? Dass ich nicht niemand bin – nicht nur eine gute Freundin?«
»Du stellst dir das alles so leicht vor. Was denkst du, wie sie reagieren würden?«, fragte Meike, jetzt ebenfalls aufgebracht.
»Und was mit mir ist, ist dir egal?« Franzis Gesichtszüge verhärteten sich. »Ich ertrag das nicht mehr – immer verleugnet zu werden, meine Gefühle zu verheimlichen. Ich habe es versucht, ich habe wirklich versucht, dich zu verstehen, das zu akzeptieren, aber auf Dauer geht das nicht.« Franzi ließ ihre Faust mit aller Kraft neben sich auf das Sofapolster fallen. »Warum hast du so große Angst davor?«
»Das habe ich dir doch schon so oft erklärt.«
»Dann erklär es mir eben noch mal.« Abermals schlug Franzi auf das Polster. »Ich versteh es einfach nicht.«
»Kannst du dir vorstellen, was eine lesbische Lehrerin in einer Kleinstadt wie dieser hier bedeutet? Was die Schüler, was die Eltern sagen würden? Wie mein Schulleiter reagieren würde und die Kollegen?« Meike starrte geradeaus, ihr ganzer Körper hatte sich verkrampft.
»Nein, das kann ich mir nicht vorstellen«, entgegnete Franzi, »ich habe keine Erfahrungen damit gemacht. Aber du doch bisher auch noch nicht.« Ihre Wut ebbte ab, als sie Meikes Furcht wahrnahm, das Dilemma spürte, in dem Meike steckte. Ihre Stimme wurde sanfter. »Vielleicht ist vieles von dem, wovon du denkst, dass es passiert, nur eine Horrorvorstellung. Meinst du, es wird wirklich so schlimm?«
»Ja«, war alles, was Meike antwortete. Die Angst stand ihr noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Weißt du«, Franzi nahm Meikes Hand, »ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Outing sehr viel problemloser verlief, als ich das erwartet hatte. Auch hier, in der Kleinstadt. Die Leute sind nicht so engstirnig, wie du vielleicht denkst. Du musst ihnen eine Chance geben.«
»Mein Vater ist so engstirnig, da kannst du dir sicher sein.« Meike vergrub ihr Gesicht in den Händen. »Er würde das niemals verstehen. Niemals.«
»Meike, ich liebe dich. Und ich kann meine Liebe nicht immer verstecken. Zumindest nicht vor allen.« Franzis Fingerspitzen fuhren zärtlich über Meikes Rücken. »Wir müssen uns nicht knutschend vor deiner Schule positionieren, aber ich möchte mit dir unbeschwert den Alltag genießen, ohne mir über jede Berührung, über jeden Blick Gedanken machen zu müssen. Ich möchte von meinen Erlebnissen erzählen und dabei nicht auslassen müssen, dass ich mit dir an meiner Seite glücklich bin.«
Meike lehnte sich an Franzis Schulter. Ihr Körper entspannte sich ein wenig. »Ich weiß.«
»Und am schönsten wäre es, wenn ich auch deinen Eltern gegenüber offen sein könnte . . . wenn ich nicht Fragen zu imaginären Männern an meiner Seite beantworten müsste. Die gibt es nun mal nicht, und die wird es auch niemals geben.« Franzi drückte Meike fester an sich. »Ich möchte mich nicht länger verstecken.«
Meike nickte. »Franzi, das möchte ich doch auch nicht.«
»Dann ändere etwas. Ich möchte dich nicht verlieren. Ich möchte mit dir alt werden. Aber . . .« Franzi zögerte kurz, doch sie musste es aussprechen: »Aber so, wie es im Moment ist, kann ich das nicht.«
Meike schreckte hoch. Mit geweiteten Augen sah sie Franzi an. »Willst du mich
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