Klassentreffen (German Edition)
verlassen?«
»Davon kann keine Rede sein.« Franzi streichelte Meikes Wange. »Das ist das Letzte, was ich möchte. Aber es kann so nicht weitergehen, ich verleugne mich selbst. Auf Dauer kann ich so nicht glücklich werden. So möchte ich nicht leben.«
Meike schluckte schwer. »Ich werde mich outen. Versprochen. Das musst du mir glauben – ich will dich doch auch nicht verlieren. Aber es geht nicht so schnell.«
»Wie viel Zeit brauchst du noch?«, fragte Franzi mit einem Seufzen.
»Nicht mehr lange. Nur noch ein kleines bisschen.«
~*~*~*~
» H ey, Meike, alles Gute nachträglich.« Wiebke stand schon an Meikes Platz, um sie zu empfangen, als Meike nach der sechsten Stunde ins Lehrerzimmer kam.
»Vielen Dank.« Meike näherte sich lächelnd, und ihre Wangen röteten sich vor Freude. »Dass du daran gedacht hast.«
Wiebke drückte Meike an sich. »Ich hoffe, du hast ordentlich gefeiert.«
»Von mir auch die besten Glückwünsche.« Lachend gesellte sich Mario ebenfalls an Meikes Tisch. »Hattest du denn eine schöne Geburtstagsfeier?«
Meikes Finger wurden feucht. Sollte sie den beiden erzählen, dass Franzi sie vom Bus abgeholt und mit ihr in ihren Geburtstag hineingefeiert hatte? Wenn nicht jetzt, wann dann? Sie musste es endlich sagen. Entschlossen holte sie tief Luft. »Ja, mein Geburtstag war sehr schön. Ich bin ja Freitag erst von der Klassenfahrt wiedergekommen . . .«
Mario nickte. »War bestimmt toll mit unserem Lieblingskollegen.«
Meike verdrehte die Augen. »Und wie. Jedenfalls . . .« Mit einem Mal klebte ihr die Zunge am Gaumen fest, wollte sich nicht mehr bewegen. Nervös trat sie von einem Bein auf das andere. Konnte sie den beiden wirklich von Franzi erzählen? Wie würden sie reagieren? Meike wurde ganz heiß. Der Boden unter ihr fühlte sich plötzlich wackelig an.
»Geht es dir nicht gut?«, fragte Wiebke besorgt. »Du bist ganz blass.«
»War die Klassenfahrt so schlimm?« Mario legte Meike eine Hand auf die Schulter.
»Nein, es ist alles in Ordnung.« Meikes Herz raste. Sie hatte das Gefühl, kaum mehr atmen zu können. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Nein, sie konnte es nicht, sie brachte es einfach nicht fertig. »Jedenfalls . . .«, stotterte sie. »Ich habe dann in meinen Geburtstag reingefeiert, und gestern war meine Familie da. Kleiner Kreis also, nichts besonders Aufregendes.« Sie wischte sich über die Stirn und fühlte sich elend. Warum war sie nur so feige? Wenn es jemanden gab, von dem sie nichts zu befürchten hatte, dann waren es Wiebke und Mario. Auch wenn sie sich wenig privat kannten und austauschten – die beiden schienen verständnisvoll und tolerant zu sein. Und, was noch viel wichtiger war, sie waren keine Klatschtanten und hätten dieses Geheimnis erst einmal für sich behalten können.
»Wie war denn die letzte Woche? Hat Karsten sich anständig verhalten?«, hakte Mario noch einmal nach.
»Na ja . . .« Meike zuckte mit den Schultern. »Es hätte besser sein können, aber es war in Ordnung. Die Schüler hatten viel Spaß, glaube ich. Und ich habe es ja überlebt.« Sie versuchte zu lächeln, aber es geriet schief. Instinktiv suchte sie das Lehrerzimmer nach Karsten ab, und als sie ihn entdeckte, zog es in ihrem Magen. Karsten grinste sie an, als habe er nur darauf gewartet, dass sie in seine Richtung schauen würde.
»Habt ihr noch eine Stunde oder Feierabend?«, fragte Meike ihre Kollegen, um all das Ungesagte, das im Raum zu stehen schien, zu umschiffen.
»Ich muss noch mal ran.« Mario seufzte.
»Gilt für mich auch.« Wiebke griff nach ihrer Tasche. »Bis morgen.«
Mario und Wiebke machten sich auf zur nächsten Schulstunde. Meikes Arbeitstag war glücklicherweise überstanden. Sie packte ihre Sachen zusammen.
»Hast du mich vermisst?«
Sie musste sich gar nicht umdrehen, um zu wissen, wer hinter ihr stand. Diesen unangenehmen herben Duft und diese tiefe Stimme erkannte sie sofort.
»Bestimmt nicht«, erwiderte sie bissig.
»Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Als ob diese Franzi dir alles geben kann, was du brauchst.« Karsten lachte höhnisch.
Mit feuchten Fingern steckte Meike ihre Stifte in die Tasche. »Lass mich einfach in Ruhe.«
»Hast du dir mein Angebot durch den Kopf gehen lassen?«, erkundigte sich Karsten und legte dabei seine Hände auf Meikes Schultern, so dass sie ihm ins Gesicht sehen musste.
»Finger weg!« Meike versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
Aber Karsten
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