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Klassentreffen (German Edition)

Klassentreffen (German Edition)

Titel: Klassentreffen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schöning
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einfacher geworden.
    »Du musst wirklich nicht darüber sprechen, wenn du nicht möchtest.«
    »Doch, ich möchte, aber es fällt mir schwer.«
    »War dein Freund ein Schwerverbrecher?«
    Jetzt musste Meike lachen. Franzi hätte niemandem etwas zuleide tun können. »Ganz bestimmt nicht.«
    »Dann vielleicht eine Berühmtheit? Ein Star?« Wiebke strahlte Meike an, sie schien Spaß an diesem Ratespiel zu haben. »Deswegen durftest du nicht darüber sprechen.«
    Meike schüttelte den Kopf. Sie nahm all ihren Mut zusammen. »Genau genommen war es kein Freund, sondern eine Freundin.«
    Wiebkes Augen weiteten sich. »Das hätte ich nicht erwartet.« Sie drückte Meikes Hände. »Aber das ist doch wirklich nicht schlimm.«
    »Für mich war es das schon. Also . . . Natürlich war es nicht wirklich schlimm.« Meike räusperte sich. Diese Dinge in Worte zu fassen war so ungewohnt. »Es war . . . verwirrend. Dabei war es mit Franzi die schönste Zeit meines Lebens, aber es war alles so neu. Ich konnte damit nicht umgehen.«
    »War das deine erste Beziehung zu einer Frau?«
    »Ja. Davor war ich verheiratet. Mit einem Mann.« Meike starrte auf das weiße Tischtuch. »Franzi und ich . . . Wir hatten uns während der Schulzeit einmal geküsst. Auf einer Klassenfahrt. Das war meine einzige Erfahrung mit einer Frau.«
    »Wie hast du denn gemerkt, dass du dich in eine Frau verliebt hast?« Wiebkes Neugierde schien geweckt.
    »Ich habe Franzi auf einem Klassentreffen wiedergetroffen. In der Schule waren wir beste Freundinnen. Jedenfalls habe ich mir eingeredet, dass es nicht mehr war – dass wir nur beste Freundinnen gewesen waren. Und in dem Moment, als ich sie wiedergesehen habe, war es um mich geschehen. Sie hat mich einfach umgehauen.« Meikes Augen leuchteten jetzt. Sie erzählte Wiebke die ganze Geschichte: wie sie sich ihre Gefühle eingestanden, sich aber weiterhin versteckt hatte. »Und dann kam der Freitag. Ich habe den größten Fehler meines Lebens gemacht.« Sie hielt inne.
    »Was ist passiert?« Es war das erste Mal, dass Wiebke wieder etwas sagte. Die ganze Zeit über hatte sie Meike gebannt gelauscht.
    »Mario hat mich abgeholt und mich nach meinem Freund gefragt.« Noch einmal durchlebte Meike diesen Moment, spürte den quälenden Stich ihres Gewissens. »Ich habe Franzi verleugnet, und sie hat es gehört.«
    »Warum hast du das getan?« Wiebkes Frage klang aufrichtig interessiert, es schwang kein Vorwurf darin mit.
    »Angst. Ich hatte einfach Angst.« Meikes Stimme war kaum mehr zu hören.
    »Wovor denn?«
    »Ich weiß es selbst nicht so genau. Vor Ablehnung wahrscheinlich. Davor, zurückgewiesen zu werden, nicht akzeptiert zu werden. Schüler und Eltern sind häufig nicht tolerant.«
    »Ich glaube, du unterschätzt deine Schüler«, wandte Wiebke ein. »Und auch deren Eltern. Weißt du, an meiner alten Schule gab es auch eine lesbische Lehrerin.«
    Meike holte tief Luft. Sie war nicht die Einzige! Auch an anderen Schulen gab es lesbische Lehrerinnen! Das hätte sie bisher nicht für möglich gehalten.
    Aber warum sollte es auch keine anderen lesbischen Lehrerinnen geben? Mit einem Mal ging ihr auf, mit welcher Selbstverständlichkeit sie davon ausgegangen war, ein Einzelfall, eine absolute Ausnahme zu sein. Etwas, das es eigentlich nicht geben durfte. Das war natürlich völliger Unsinn. Sie hätte das selbst einsehen können, sich selbst das Leben so viel leichter machen können, wenn sie nur ein wenig nachgedacht hätte.
    »Sicherlich war es manchmal schwer für sie, aber soweit ich das mitbekommen habe, gab es keine ernsthaften Probleme.« Wiebke fixierte Meike. »Wir Kollegen haben immer zu ihr gehalten – und ich bin mir sicher, auch bei uns gibt es genügend Kollegen, die dich unterstützen würden. Ich ganz bestimmt. Und Mario auch.«
    Wiebke hatte recht. Einige Kollegen würden sie unterstützen. Aber andere . . . Unweigerlich schlich sich Karstens Gesicht in Meikes Gedanken. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Er würde ihr das Leben zur Hölle machen. Das tat er ja jetzt schon. Jeden Fehler von ihr würde er ausnutzen, gegen sie verwenden.
    »Meinst du nicht, dass wir zu dir halten würden?«, hakte Wiebke noch einmal nach.
    »Doch, doch.« Meike fuhr sich mit der Hand über den Nasenrücken. »War deine ehemalige Kollegin von Anfang an offen?«
    »Als ich sie kennengelernt habe, war sie schon einige Jahre an der Schule. Und zu diesem Zeitpunkt wussten es zumindest alle – Kollegen,

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