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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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hätte aufzeichnen können,
wäre ich nicht erst neulich dort gewesen. Zufrieden schiebe ich ihm das Blatt hin. Eigentlich müsste er jetzt aufspringen und den Plan seinem Fahndungsteam übergeben. Stattdessen betrachtet er mein Werk flüchtig und wirkt irgendwie unschlüssig, was mich aufs Neue verärgert. Was hat dieser Mann bloß? Hält er mich etwa für ein Schulmädchen mit blühender Fantasie, das sich wichtig machen will?
    Offenbar kann Hartog Gedanken lesen, denn er macht eine ernste Miene.
    »Es ist nämlich so, Fräulein Kroese: Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen«, sagt er.
    »Über mich?«
    »Ja. Sie kommen in der Akte nicht vor.« Er tippt auf die Mappe vor ihm. »Und ich frage mich, warum eigentlich nicht. Schließlich waren Sie damals in Isabel Hartmans Klasse.«
    »Stimmt«, sage ich unwillig.
    »Und Sie waren auch gemeinsam auf der Grundschule.«
    »Ja.«
    »Aber im Zusammenhang mit ihrem Verschwinden sind Sie nie verhört worden.«
    »Nein.«
    »Das war ein großer Fehler von uns. Ich bin froh, dass Sie den Mut gefunden haben, zu uns zu kommen.«
    Argwöhnisch sehe ich ihn an.
    »Meine Erkundigungen haben ergeben, dass Sie ein nicht gerade entspanntes Verhältnis zu Isabel Hartman hatten, um es mal vorsichtig auszudrücken«, sagt Hartog. Er schlägt einen vertraulichen Ton an, macht offensichtlich auf Freund und Helfer, um mir irgendwelche Aussagen zu entlocken. Aber darauf falle ich nicht herein.
    »Auf der Grundschule waren wir gute Freundinnen«, sage ich.

    »Aber danach nicht mehr. Sie hat Ihnen das Leben ganz schön schwer gemacht.«
    Ich schweige.
    »Sie wurden von der Clique, zu der sie gehörte, ständig schikaniert und geschlagen. Das muss eine schlimme Zeit für Sie gewesen sein.«
    »Ach …«, sage ich, aber Hartog unterbricht mich, bevor ich meinen Satz richtig anfangen kann.
    »Es war so schlimm, dass Sie nachts Albträume hatten und sich nicht mehr in die Schule trauten, stimmt’s?«, sagt er freundlich.
    Ich setze mich kerzengerade hin. »Gibt es für Psychologen etwa keine Schweigepflicht?«, sage ich wütend.
    »Nicht, wenn es um ein Verbrechen geht, Fräulein Kroese«, antwortet Hartog ruhig. »Ihre Psychologin hat mir auch gesagt, dass Ihr Bruder nach der Schule immer auf Sie gewartet hat, damit Sie unbehelligt nach Hause kamen. Er hatte wohl auch nicht viel für Isabel Hartman übrig, nicht wahr?« Hartogs Tonfall ist unverändert freundlich, trotzdem wird mir allmählich heiß.
    »Könnten Sie das Fenster aufmachen?«, frage ich.
    Hartog kommt meiner Bitte bereitwillig nach und macht das Fenster ein Stück auf. Eine sanfte Brise weht herein, und ich schaue sehnsüchtig zu dem Spalt, der mich mit der Außenwelt verbindet. Ich rutsche auf meinem Stuhl herum, hebe das Kinn und sage herablassend: »Das stimmt, Robin hat manchmal nach Schulschluss auf mich gewartet. Aber ich wüsste nicht, was …«
    »Für Sie muss das doch wie eine Befreiung gewesen sein, als der Quälgeist aus Ihrem Leben verschwand, nicht wahr, Fräulein Kroese?«
    Dass Hartog einen so anmaßenden Ton anschlägt, macht mich unglaublich wütend. Aber ich reiße mich zusammen und sehe ihn kühl an.

    »Was wollen Sie damit sagen? Dass ich Isabel umgebracht habe?«
    »Damit will ich gar nichts sagen. Ich stelle lediglich eine Tatsache fest. Für Sie war es die reinste Erlösung, als das Mädchen verschwand.« Hartog sieht mich mit einem Gesichtsausdruck an, als wäre das nur allzu verständlich, aber ich hüte mich davor zuzustimmen. Ich zucke lediglich mit den Schultern.
    Er nimmt ein Blatt aus der Akte. »Ich habe hier Ihre Aussage vom letzten Mal. Sie gaben an, sich zu erinnern, dass Sie nach der Schule mit dem Rad hinter Isabel Hartman herfuhren. Sie war mit einer Freundin zusammen, und als die abbog, fuhr sie allein weiter. Sie folgten ihr in einiger Entfernung. Bei der Kreuzung Jan Verfailleweg/Seringenlaan bogen Sie dann schließlich ab, um nicht bemerkt zu werden. Warum wollten Sie nicht bemerkt werden?«
    »Das ist doch wohl klar«, sage ich barsch.
    »Hatten Sie solche Angst vor ihr? Obwohl sie allein war, ohne die Unterstützung ihrer Clique?«
    »Was hätten Sie denn gemacht? Sich daneben gestellt und nett geplaudert?«
    »Ich frage mich, warum Sie ihr gefolgt sind, wenn Sie den Kontakt vermeiden wollten.«
    »Ich bin ihr nicht gefolgt, ich musste lediglich in dieselbe Richtung.«
    »Sind Sie auf dem Nachhauseweg oft durch die Dünen gefahren, Fräulein Kroese?«
    Wieder zucke ich mit den

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