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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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Schultern. »Nicht gerade oft. Nur bei schönem Wetter.«
    Einen Moment lang ist es still.
    »Sie sind also bei der Seringenlaan abgebogen, weil Sie Isabel nicht begegnen wollten«, nimmt Hartog den Faden wieder auf.

    »Richtig«, sage ich.
    »Sie sind ihr nicht gefolgt.«
    »Nein.«
    »Trotzdem behaupten Sie, die Stelle zu kennen, an der sie überfallen wurde. Mehr noch, Sie haben gesehen, dass sie ermordet wurde, und zwar nicht in der Nähe der Imbissbude.«
    »Ich bin an der Imbissbude vorbeigefahren, und als ich nach rechts schaute, sah ich Isabel mit jemandem in den Wald gehen«, sage ich geduldig.
    »Und da beschlossen Sie, hinterher zu gehen. Warum?«
    »Weil ich wissen wollte, mit wem sie verabredet war«, sage ich nicht mehr ganz so geduldig.
    »Warum?«
    Ich zucke wieder mit den Schultern. »Ich war wohl einfach neugierig.«
    Hartog scheint diese Erklärung zu akzeptieren. »Und haben Sie gesehen, wer es war?«
    »Das muss ich wohl gesehen haben, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.«
    »War es ein Bekannter von Ihnen?«, bohrt Hartog nach.
    Ich überlege kurz. War es ein Bekannter? Ja, irgendwie weiß ich, dass es ein Bekannter war. Sonst wäre ich ja nicht so geschockt gewesen. Im gleichen Moment registriere ich, dass ich geschockt war – auch das war aus meinem Gedächtnis verschwunden.
    »Fräulein Kroese, ich habe Sie etwas gefragt«, sagt Hartog freundlich.
    Ich fahre hoch. »Verzeihung! Ja, seltsamerweise weiß ich, dass ich denjenigen kannte, aber ob es ein guter oder entfernter Bekannter war, kann ich nicht sagen.«
    Hartog lässt einen tiefen Seufzer hören und fährt sich über die Stirn. »Wissen Sie«, sagt er, »im Gespräch mit Ihrer Psychologin
ist mir erst klar geworden, dass Erinnerungen ein regelrechtes Eigenleben führen können. So kann es beispielsweise gut sein, dass Isabel einen Bekannten getroffen, kurz mit ihm gesprochen hat, anschließend Sie kommen sah und mit Ihnen in den Wald ging.«
    Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. »Und warum erinnere ich mich dann daran, dass es ein Mann war?«
    »Das weiß ich nicht«, sagt Hartog ruhig. »Im Grunde erinnern Sie sich an nicht gerade viel. Sie behaupten zu wissen, dass es ein Mann war, dass Sie ihn kannten, aber Sie wissen nicht mehr, wer er war. Ihr Gedächtnis arbeitet schon sehr selektiv, finden Sie nicht auch?«
    Ich antworte nicht.
    »Versuchen Sie sich doch mal vorzustellen, dass Sie es waren, die mit Isabel Hartman in den Wald gingen. Dass Sie sich mit ihr an der Imbissbude verabredet hatten, weil das eine oder andere zu bereden war. Klingt das nicht viel einleuchtender, Fräulein Kroese?«
    Ich habe die Hände gefaltet, und meine Finger verkrampfen sich, was mit Sicherheit keinen guten Eindruck macht, aber es gelingt mir einfach nicht, die Hände locker in den Schoß zu legen. Ich bin gekommen, um eine Meldung zu machen, und jetzt bin ich plötzlich selbst verdächtig! Hartogs freundliche Miene steht in einem großen Widerspruch zu seinem bohrenden Blick.
    Ich starre auf einen losen Faden an meinem Pulliärmel, und als ich endlich meinen Mut zusammengenommen habe, sehe ich auf.
    »Hören Sie, Herr Hartog«, sage ich mit leicht zittriger Stimme. »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, aber ich hatte keine Verabredung mit Isabel an der Imbissbude, und ich bin auch nicht mit ihr in den Wald gegangen. Es war so, wie ich es Ihnen gesagt habe. Warum sollte ich hierher kommen
und Ihnen das alles erzählen, wenn es stimmt, was Sie mir da unterstellen? Warum, um Himmels willen, sollte ich so etwas tun?«
    Dieser Punkt geht auf mein Konto, das sehe ich an Hartogs Gesicht. Mein Selbstvertrauen wächst, und ich setze mich gerade hin. »Ich schlage vor, Sie graben an der betreffenden Stelle, und falls Isabel dort gefunden wird, können wir uns gern noch mal über Verdrängung und die Funktion des Gedächtnisses unterhalten. Und wenn Sie Olaf van Oirschot verhaften, haben Sie auch gleich den mutmaßlichen Täter. Es kann ohnehin nicht schaden, ihm mal auf den Zahn zu fühlen, was den Unfall angeht, und zu prüfen, ob sein Auto beschädigt ist.«
    »Vielleicht nicht«, sagt Hartog.
    Er notiert etwas in einer winzigen Krakelschrift, das ich von meinem Platz aus beim besten Willen nicht entziffern kann.
    »Höre ich wieder von Ihnen?«, frage ich beim Aufstehen.
    Hartog legt seinen Kuli hin. »Glauben Sie mir, Fräulein Kroese: Wenn ich Fragen habe, sind Sie die Erste, die ich anrufe.«
    Der ironische Unterton behagt mir

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