Klassentreffen
Erfahrungen mit ihm.
»Er kann es nicht ertragen, abgewiesen zu werden, verstehen Sie«, sage ich. »Er hat Eline Haverkamp misshandelt, als sie sich von ihm trennen wollte, mich verfolgt er aus dem gleichen Grund, und geschlagen hat er mich auch schon. Ich vermute, dass er Isabel in blinder Wut umgebracht hat, als sie mit ihm Schluss machen wollte.«
Hartog hört geduldig zu und klopft dabei mit seinem Kuli auf den Schreibtisch. »Bei Ihrem letzten Besuch haben Sie aber Herrn Groesbeek verdächtigt.«
»Dazu kommt nun Olaf van Oirschot«, sage ich. »Beide können es gewesen sein. Aber natürlich kann auch ein völlig Fremder Isabel im Wald überfallen haben. Ich behaupte ja nicht zu wissen , wer der Täter ist, Herr Hartog, ich möchte Ihnen lediglich mitteilen, was mir zu Ohren gekommen ist. Ehrlich gesagt, wundern würde es mich nicht, wenn Olaf
der Täter wäre. Wenn Sie mich fragen, hat er auch meinen neuen Freund angefahren. Sie wissen doch, der Unfall gestern.«
Mit etwas mehr Interesse sieht Hartog mich jetzt an. »Es gab keine Unfallzeugen«, sagt er.
»Aber Olaf hatte ein Motiv, Bart zu schaden«, sage ich und beuge mich leicht vor, denn Hartog lehnt sich immer weiter zurück und tut, als könnte er mit meinen Mitteilungen nicht das Geringste anfangen.
Leicht verzweifelt hole ich mein Handy aus der Tasche und spiele ihm Olafs Nachrichten vor. Er lauscht aufmerksam, aber sein Gesichtsausdruck bleibt ungerührt.
»Tut mir Leid, dass Sie Probleme mit Ihrem Exfreund haben«, sagt er freundlich. »Aber ich kann daraus nicht entnehmen, dass er für den Unfall von Herrn de Ruijter verantwortlich ist.«
»Er weiß, dass er nicht zu Hause ist!«, rufe ich. »Und woher kann er das wissen? Doch nur, weil er selbst ihn krankenhausreif gefahren hat!«
»Vielleicht hat er das nur so dahingesagt«, meint Hartog, nach wie vor freundlich. »Hören Sie, Fräulein Kroese. Ich verstehe gut, dass Sie beunruhigt sind, und ich muss zugeben, dass mir Herrn van Oirschots Verhalten ebenfalls merkwürdig vorkommt. Das reicht aber nicht aus, um ihn zu verhaften, verstehen Sie? Sie kommen mit ein paar vagen Anschuldigungen hierher und verlangen, dass ich etwas unternehme, hab ich Recht? Aber auf dieser Grundlage kann ich wirklich nichts tun. Meiner Ansicht nach sollten Sie sich mit Ihrem Exfreund verständigen und vernünftig über Ihre Probleme reden.«
»Ich bin noch nicht fertig«, sage ich schroff.
Resigniert stützt Hartog die Arme auf den Tisch und sieht mich an. »Und was haben Sie mir noch zu sagen?«
Ich berichte von meinem Besuch bei Isabels Mutter und dem Heft, das sie mir gezeigt hat, und es ist mir eine Genugtuung, dass Hartog jetzt tatsächlich Interesse zeigt.
»Isabel war an dem Tag, an dem sie verschwunden ist, verabredet«, sage ich. »Haben Sie das gewusst?«
Hartog hat eine Kopie der Heftseite vom 8. Mai in seiner Akte und nimmt sie zur Hand.
»Mit DD«, sagt er.
»Nein, mit Olaf van Oirschot. DD steht für Dunkle Dünen , und die Zehn ist keine Zehn, sondern heißt IO: Isabel Olaf. Die beiden hatten eine Beziehung, und Isabel wollte an jenem Tag mit Olaf Schluss machen. Ob es dazu gekommen ist, weiß ich nicht, jedenfalls ist sie kurz darauf verschwunden.«
Hartog betrachtet die Kopie und blättert dann in der Akte.
»IO«, sagt er vor sich hin.
Ich lehne mich leicht triumphierend zurück. »Olaf hatte sowohl ein Motiv als auch die Gelegenheit, Isabel etwas anzutun. Er war gegen halb drei mit der Matheprüfung fertig. Um zehn nach zwei hatten Isabel und ich Schulschluss, und Isabel fuhr vom Pausenhof, in Richtung Dunkle Dünen .«
Hartog blättert noch immer in der Akte.
»Olaf van Oirschot hat ausgesagt, er sei direkt nach der Prüfung nach Hause gegangen«, sagt er. »Seine Mutter hat das bestätigt.«
Ich zucke überheblich mit den Schultern. »Isabel Hartman ist an jenem Tag ermordet worden, und wie ich von Eline Haverkamp weiß, kann Olaf gewalttätig werden, wenn nicht alles so läuft, wie er will.«
»Ermordet? Woher wollen Sie wissen, dass Isabel ermordet wurde?« Hartog sieht mich scharf an.
»Weil ich ihre Leiche gesehen habe. Jahrelang konnte ich mich an nichts mehr erinnern, aber vor kurzem kam das Bild wieder hoch. Sie ist ermordet worden, Herr Hartog.«
Zu meiner Verärgerung wirkt Hartog nicht sonderlich beeindruckt.
»Und das hatten Sie die ganze Zeit vergessen?« Er sagt es so, dass das Wort »vergessen« irgendwie ironisch klingt. »Und jetzt wissen Sie es auf einmal
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