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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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verschwand, hatten wir schon zwei Jahre lang keinen richtigen Kontakt mehr miteinander. Deshalb war ich ein Stück hinter ihr, als wir aus der Schule kamen. Sie fuhr neben Mirjam Visser her, mit der sie damals viel zusammen war, und ich hatte keine Lust, mich zu ihnen zu gesellen. Sie hätten wohl auch keinen Wert darauf gelegt. Ich musste in dieselbe Richtung und drosselte mein Tempo, damit ich sie nicht einholte. Isabel und Mirjam fuhren langsam, jede mit der Hand auf dem Arm der anderen, als wollten sie aller Welt ihre Freundschaft demonstrieren. Ich sehe sie noch genau vor mir und höre ihre fröhlichen, unbeschwerten Stimmen. Es war herrliches Wetter, Sommer lag in der Luft.
    Irgendwann musste Mirjam rechts abbiegen, für Isabel und mich ging der Weg geradeaus weiter. Mirjam bog tatsächlich ab, aber Isabel ebenfalls. Ich folgte ihnen, warum, weiß ich nicht. Meine übliche Strecke war das jedenfalls nicht. Wahrscheinlich wollte ich durchs Dünengebiet nach Hause fahren. Das hatten mir meine Eltern zwar verboten,
weil die Gegend so einsam war, aber ich machte es trotzdem hin und wieder.
    Ich fuhr also hinter den beiden her zum Jan Verfailleweg, der in die Dünen führte. In einer der Seitenstraßen wohnte Mirjam; sie bog ab, hob grüßend die Hand, und Isabel fuhr allein weiter. Das wunderte mich, denn ich hatte damit gerechnet, dass sie mit Mirjam nach Hause gehen würde.
    In einigem Abstand folgte ich Isabel und sah sie an einer Kreuzung vor der roten Ampel absteigen. Ich hörte auf zu treten und hoffte, die Ampel würde bald grün. Es wäre mir unangenehm gewesen, auf einmal neben ihr zu stehen und etwas sagen zu müssen. Zum Glück kam hinter ihr ein Transporter zum Stehen, der mich verdeckte, als ich näher kam. Die Ampel wurde grün, und der Transporter fuhr in einer Wolke aus Auspuffgasen an. Isabel stieg aufs Rad und setzte ihren Weg ebenfalls fort. Wäre ich auch geradeaus gefahren, wäre ich direkt hinter ihr gewesen, aber das wollte ich nicht. Also bog ich rechts ab und fuhr einen kleinen Umweg zu den Dünen.
    Damals habe ich Isabel zum letzten Mal gesehen. Irgendwie sind meine Erinnerungen an jenen Tag wie in Nebel gehüllt. Es ist schon seltsam, dass einem belanglose Details glasklar im Gedächtnis bleiben, während man das wirklich Wichtige nicht mehr weiß. So kann ich mich zum Beispiel kaum noch an den Tag erinnern, nur daran, dass ich hinter Isabel und Mirjam herfuhr und mit ansehen musste, wie vertraut sie miteinander umgingen. Ich erinnere mich nicht einmal mehr an den Moment, als ich erfuhr, dass Isabel vermisst wurde. Ich weiß nur noch, was mir meine Mutter später darüber erzählt hat. Unsere Eltern hatten früher, als wir noch Freundinnen waren, Kontakt miteinander, aber der schlief mit dem Ende unserer Freundschaft ein. An jenem Abend hat Isabels Mutter offenbar bei uns angerufen; sie
machte sich Sorgen, weil ihre Tochter nicht nach Hause gekommen war. Meine Mutter kam nach oben in mein Zimmer, wo ich Hausaufgaben machte. Sie fragte mich, ob ich wisse, wo Isabel sei. Ich verneinte. Sie wunderte sich nicht darüber, denn Isabel war ja schon recht lange nicht mehr bei uns gewesen.
    Von dem Wirbel um Isabels Verschwinden weiß ich kaum noch etwas. Und das bisschen, was ich weiß, habe ich vom Hörensagen. Isabels Eltern benachrichtigten umgehend die Polizei. Ein fünfzehnjähriges Mädchen bleibt doch nicht über Nacht weg! Ach was, die wird bei ihrem Freund übernachten, hatte der Dienst habende Polizist gesagt. Isabels Vater suchte die ganze Nacht das Dorf und seine nähere Umgebung ab, während die Mutter sämtliche Freunde und Bekannten ihrer Tochter anrief.
    Als Isabel nach zwei Tagen noch immer verschwunden war, wurde die Polizei aktiv. Die Beamten verhörten Isabels Freundeskreis, aber weil ich nicht mehr dazu zählte, stellte man mir keine Fragen. Ich hätte auch nicht viel dazu sagen können, außer dass nicht Mirjam Visser, sondern ich Isabel als Letzte gesehen hatte. Aber was hätte das schon geändert? Schließlich war ich eher abgebogen und wusste nicht einmal, ob Isabel den Weg durch die Dünen genommen hatte.
    Bereitschaftspolizisten durchkämmten mit Hubschraubern, Spürhunden und einem Infrarotscanner die gesamte Umgebung. Isabels Mutter hängte mit Nachbarn VERMISST-Plakate in Buswartehäuschen, Kneipen und an Litfaßsäulen auf.
    Von Isabel fehlte jede Spur.
    In der Schule war ihr Verschwinden natürlich Tagesgespräch. Alle redeten darüber, aber auch davon weiß ich

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