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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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ob nichts zerbrochen ist.
    »Ja«, stimmt er mir zu. »Gehasst hat er sie auch. Liebe und Hass liegen oft nahe beieinander. Aber warum macht dir das so viel aus?«
    Müde sehe ich ihn an. »Das weißt du ganz genau.«
    Olaf beugt sich vor und legt seine Hand auf meine. »Ja«, gibt er zu und sagt dann nach kurzem Schweigen: »Hat sie dich sehr schikaniert?«
    Ich schaue zur Seite, zur Straßenbahn, die einen unvorsichtigen Radfahrer aus dem Weg bimmelt.
    »Ja«, höre ich mich sagen. »Bis Robin die Sache in die Hand genommen hat. Aber davor war’s übel.«
    Mit einem Mal bin ich völlig verspannt und spüre die altvertrauten Schmerzen in Schultern und Bauch. Meine Hand zittert, als ich die Zigarette ausdrücke.
    Olaf sieht es. Unsere Blicke begegnen sich, aber er sagt nichts. Dafür bin ich ihm dankbar.

KAPITEL 12
    Ich bin jetzt dreiundzwanzig und hatte noch nie eine Beziehung, von meiner Romanze mit Bart einmal abgesehen. Während des Studiums bin ich genug hübschen Jungs begegnet, aber irgendwie ist es nie so weit gekommen, dass aus der Abendverabredung eine Beziehung wurde. Das lag an mir, so viel weiß ich heute. Ich kann es einfach nicht ertragen, umarmt zu werden, einen besitzergreifenden Arm um die Schulter zu spüren, an eine Mauer gedrückt und abgeknutscht zu werden. Dann mache ich mich los und will wild um mich schlagen.
    Die Psychologin, bei der ich während meiner Depression in Behandlung war, hat versucht herauszufinden, ob ich in meiner Kindheit irgendwelche schlimmen sexuellen Erfahrungen gemacht habe. Sie war fest davon überzeugt, denn alle Symptome deuteten darauf hin. Unsere Sitzungen ergaben aber nichts dergleichen, sodass sie das Thema schließlich fallen ließ. Meiner Meinung nach ist bei mir diesbezüglich alles normal. Ich habe nach Bart eben einfach keinen mehr getroffen, der mich gereizt oder der sich für mich interessiert hätte. Ich war vierzehn, als ich mir meiner Sexualität zum ersten Mal bewusst wurde. Ich hatte in der Gemeindebücherei ein Buch ausgeliehen, das kurz zuvor verfilmt worden war. Es war die Geschichte einer verbotenen Liebe zwischen einem Mädchen und einem wesentlich älteren Mann, und der Film hatte mich tief beeindruckt. Ich hoffte, das Buch wäre genauso schön, deshalb lieh ich es aus. Im Film waren die Bettszenen sehr dezent gewesen, doch im Buch war das
ganz und gar nicht so. Es war das Aufregendste, was ich je gelesen hatte; mit hochroten Wangen lag ich auf dem Bett und las. Mein Körper reagierte so stark, dass er eine Art Eigenleben führte.
    Ich versteckte das Buch im Kleiderschrank, obwohl meine Eltern nie kontrollierten, was ich las, und mir die Lektüre auch bestimmt nicht verboten hätten. Trotzdem genierte ich mich für das, was es in mir auslöste.
    Von diesem Moment an sah ich Jungs mit anderen Augen. Meine Klassenkameraden interessierten mich allerdings nicht sonderlich, zumal die meisten von ihnen einen Kopf kleiner waren als die Mädchen, sondern eher die älteren Jungs, mit denen Isabel auf dem Pausenhof zusammenstand. Bart de Ruijter zum Beispiel, der attraktivste und beliebteste Junge der ganzen Schule.
    Er war zwei Klassen über mir, bei Olaf und Robin, und gehörte zu der Clique, mit der die beiden viel unternahmen. Aufgefallen war er mir natürlich schon vorher, aber ich hatte mir nie irgendwelche Hoffnungen gemacht. Warum sollte sich einer wie er für ein unscheinbares, schüchternes Mädchen wie mich interessieren? Trotzdem passierte genau das, und zwar bei der Schulweihnachtsfeier, als ich vierzehn war. Große Lust, hinzugehen, hatte ich nicht, aber da meine Eltern von der Feier wussten, konnte ich nicht wegbleiben. Nicht hinzugehen hätte bedeutet, dass mir Dinge, die jedem normalen Teenager Spaß machen, nicht gefielen. Und die Vorstellung, ich könnte anders sein als die anderen, hätte meinen Eltern wahrscheinlich Sorgen bereitet; womöglich wären sie enttäuscht von mir gewesen, oder ich hätte ihnen Leid getan. Die Gefühle meiner Eltern waren mir sehr wichtig.
    Mein Vater brachte mich hin und gab mir Geld, damit ich mir hinterher ein Taxi nehmen konnte und nicht allein im
Dunkeln über den Polder fahren musste. Er hätte mich auch mit dem Auto abgeholt, aber das wollte ich wiederum nicht. Wenn ich mir vorstelle, er hätte gesehen, wie ich als Mauerblümchen am Rand stand!
    Ich gesellte mich also zu meinen Klassenkameraden und versuchte, Isabel und ihrer Clique auszuweichen, was nicht gerade leicht war. Irgendwie waren sie mit

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