Klassentreffen
mit heftig klopfendem Herzen lag ich in jener Nacht im Bett und tat kein Auge zu. Bart, Bart, Bart – sang es in mir.
Ich hoffte, dass sich mein Leben von Grund auf ändern würde. Bart würde mich verteidigen, beschützen und dafür sorgen, dass ich wieder zur Clique gehörte. Isabel würde mich respektvoll behandeln und wieder meine Freundin werden, auch wenn ich mir das nicht unbedingt erträumte, ich wäre schon froh, wenn sie mich endlich in Ruhe ließe.
Da fiel mir ein, dass erst mal Weihnachtsferien waren. Bestimmt würde Bart mich anrufen, wir würden uns verabreden und zusammen herrliche Ferientage erleben.
Er rief aber nicht an.
Vierzehn lange Tage schwebte ich zwischen Hoffnung und absoluter Verzweiflung, die Feiertage gingen irgendwie völlig an mir vorüber. An Silvester sah ich mir das Feuerwerk an und wünschte mir etwas fürs neue Jahr, von dem ich kaum noch glaubte, dass es in Erfüllung gehen würde.
Am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien fuhr ich auf den Pausenhof. Ich entdeckte Bart sofort. Er stand mit der Clique zusammen, neben Isabel, und sah in meine Richtung, schien mich aber nicht zu bemerken. Ich fuhr zum Fahrradschuppen und schloss mein Rad ab, während die Klingel über den Hof gellte. Die Schülermenge setzte sich in Bewegung und strömte durch den Haupteingang in das große Backsteingebäude. Als ich mit meiner Segeltuch-Schultasche über der Schulter aus dem Fahrradschuppen trat, kam gerade die Clique vorbei.
Ob es Zufall war, dass ich neben Bart ging, oder ob er das so eingerichtet hatte, weiß ich nicht, aber das war mir auch egal. Er lächelte mich an, hob die Hand und stupste mich mit dem Finger auf die Nasenspitze. Das war eine liebevolle, zärtliche Geste, die mir viel mehr bedeutete als jeder Kuss. Aber dabei blieb es auch; den Rest des Tages ignorierte er mich. Ich verstand das Ganze nicht. Am Spätnachmittag, als ich längst zu Hause war und in meinem Zimmer Hausaufgaben machte, kam er mit dem Rad vorbei.
Mein Schreibtisch stand am Fenster, sodass ich ihn kommen sah. Ich rannte nach unten zur Haustür. Er schwang gerade das Bein über die Fahrradstange und sagte mit strahlendem Lächeln: »Hey! Wollen wir zum Strand?«
Wir gingen zum Strand, lagen im kalten Sand einer Dünenpfanne, küssten uns und aßen dann später Pommes rotweiß an der Imbissbude, um uns aufzuwärmen.
Am nächsten Schultag ignorierte er mich komplett, aber zu Hause fand ich dann einen Zettel in meiner Tasche. Freitag Kino? Bart .
Da war mir klar, dass unsere Beziehung geheim bleiben sollte. Nach dem Grund dafür fragte ich nicht, denn eigentlich war mir das ganz recht. Dass ich mit Bart ging, hätte bei der Clique nur Aufsehen erregt, und daran war mir ganz und gar nicht gelegen.
Ein halbes Jahr lang trafen wir uns regelmäßig, aber immer an Orten, an denen kaum Gefahr bestand, dass uns Bekannte sehen konnten. Ich glaube nicht, dass jemand etwas mitbekommen hat. Isabel dürfte allerdings etwas vermutet haben. Ihr Blick glitt manchmal forschend von Bart zu mir, und dann guckte sie immer ganz ungläubig. Ich konnte mich nur mit Mühe beherrschen, wenn ich sah, wie sie sich wie eine Klette an ihn hängte, ihm durch sein schwarzes Haar wuschelte und mit ihm herumalberte. Sie musste ihn haben, wenn auch nur um sich zu beweisen, dass sie ihn kriegen konnte.
Aber Bart gehörte mir. Bis zu dem Tag, an dem Isabel verschwand. Da war es zwischen uns plötzlich aus. Bart machte in dem Jahr Abitur und verließ die Schule. Und obwohl ich mir öfter ausmalte, wie wir uns wiederbegegnen würden, habe ich ihn nie mehr gesehen.
Und nun sitze ich Olaf gegenüber. Einem ebenso netten, souveränen Typen wie Bart. Finde ich ihn deshalb so anziehend? Kommt mein plötzliches Begehren daher? Nach Bart hatte ich nie mehr Sex, und erst jetzt wird mir bewusst, wie seltsam das doch ist.
Heute Nacht wird sich das ändern. Ich weiß es, spüre es, will es. Ich war lange genug allein.
Nach ein paar Gläsern Wein in einer gemütliche Kneipe lasse ich mich von Olaf nach Hause bringen. Er begleitet mich zur Haustür, und ich sehe seinen fragenden Blick. Ich lächle, mache eine auffordernde Geste zur Tür hin und küsse ihn hingebungsvoll auf den Mund.
KAPITEL 13
Ein Schnarchen weckt mich. Erschrocken drehe ich mich um und habe beinahe einen Ellbogen im Auge. Olaf liegt auf dem Bauch, die Arme unterm Kissen. Sofort bin ich hellwach.
Olaf.
Es war also kein Traum: Ich bin nach Jahren endlich wieder mit einem Mann
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