Klassentreffen
sofort.«
»Bring bitte ein Wischtuch mit«, sagt Wouter mit einem strengen Blick auf die Wasserflecken auf dem Buchenholztisch.
»Wird gemacht.« Ich lächle den Italienern zu. Sie lächeln höflich zurück.
Wieder hetze ich zum Kaffeeautomaten. Im Sekretariat ist kein Mensch. Mein Telefon klingelt, und ich überlege kurz, was ich zuerst machen soll. Ich entscheide mich für Wouter: Ohne Kaffee ist er reizbar wie ein Kampfhund. Ich schnappe mir das Tuch aus dem Spülbecken und laufe mit Kaffee aus dem Automaten zurück. Möglichst ruhig betrete ich den Raum. Bloß nicht stolpern!
Ich stelle den Kaffee hin, sage freundlich »bitte schön« und gehe wieder zum Sekretariat, wo inzwischen sämtliche Telefone klingeln. Auf dem Flur begegne ich Tessa, einer der Sachbearbeiterinnen.
»Willst du nicht rangehen? Die Telefone klingeln schon seit einer Stunde«, sagt sie.
Hektisch renne ich zu meinem Schreibtisch und nehme ab.
»Trustfonds-Sekretariat der BANK, guten Morgen. Sabine Kroese am Apparat. Einen Augenblick bitte, ich verbinde.«
»Trustfonds-Sekretariat der BANK, guten Morgen. Sabine Kroese am Apparat. Tut mir Leid, er ist in einer Besprechung. Kann er Sie später zurückrufen? In Ordnung, ich sage ihm Bescheid. Einen schönen Tag noch.«
»Trustfonds-Sekretariat der BANK, guten Morgen. Sabine Kroese am Apparat. Bonjour, Madame Boher. Un moment, je vous passe. «
Es hört und hört nicht auf. Margot kommt herein, registriert das Chaos und eilt mir sofort zu Hilfe. Um elf wird es endlich ruhiger, und wir können rasch einen Kaffee trinken.
Tessa kommt ins Sekretariat. »Hat Signor Alessi schon angerufen?«
»Nein, den hatte ich noch nicht an der Strippe«, sage ich.
»Ich auch nicht«, sagt Margot.
Tessa ist irritiert. »Seltsam. Ich brauche seine Antwort ganz dringend. Gleich muss ich in die Aktionärsversammlung. Seid ihr ganz sicher?«
Sie blättert im Faxausgangsbuch. »Das Fax an Alessi steht ja gar nicht drin! Ist das etwa nicht rausgegangen?«
Ich zucke zusammen. Die Faxe!
»Mist«, sage ich. »Es ist den ganzen Vormittag dermaßen viel los gewesen, dass ich einfach nicht dazu gekommen bin. Ich schicke sie sofort los.«
»Wie? Sind die etwa alle noch nicht raus? Ach du lieber Himmel!« Tessa starrt mich wütend an. »Renée hat Recht«, faucht sie, bevor sie sich zum Gehen wendet.
»Ich bin mir ganz sicher, dass an meinem Bildschirm kein Zettel war«, sage ich abends zu Olaf. Wir haben Pizza bestellt und sitzen auf meinem Balkon in der Sonne.
»Vielleicht ist er runtergefallen.«
»Ich hab nichts gesehen«, sage ich.
»Er könnte unter deinem Schreibtisch gelandet sein. Oder aber Renée lügt.« Olaf nimmt die Flasche Frascati vom Balkontisch und schenkt mir nach. »Ich glaube jedenfalls, dass sie lügt.«
»Ich auch«, sage ich.
Wir sitzen draußen, bis die Sonne hinter dem Häuserblock verschwindet, dann gehen wir in mein Schlafzimmer. Wir schlafen miteinander, quatschen ein bisschen, lästern über Renée und schlafen noch mal miteinander. Ich lache, aber mir ist gar nicht fröhlich zumute. Als Olaf geht – er muss noch zu einem Freund, dessen Computer abgestürzt ist -, mache ich den Fernseher an und trinke den restlichen Frascati.
Ich trinke zu viel. Viel zu viel, aber wenigstens ist mir das bewusst. Ich nehme mir auch vor, etwas dagegen zu unternehmen,
aber noch nicht jetzt. Es geht mir besser. Trotz des unangenehmen Betriebsklimas fühle ich mich energiegeladener und tatkräftiger. Dass ich wieder am Arbeitsleben teilnehme und mich nachmittags erholen kann, tut mir gut. Abends bekomme ich jedoch regelmäßig einen Rückfall. Ein Werbespot, in dem Freundinnen zusammen ausgehen, die Nachrichten, ja sogar eine rührselige Szene in einer Soap – alles bringt mich zum Heulen. Und dann kann ich nicht mehr aufhören. Alter Kummer löst sich und kommt hoch.
Es ist schon nach zehn, als Jeanine anruft.
»Hi, ich bin’s. Du warst doch hoffentlich noch nicht im Bett, oder?«
»Nein, ich liege auf dem Sofa und gucke ein bisschen fern.«
»Ein Glück. Ich hab deine Nummer gewählt und dann erst gemerkt, wie spät es schon ist. Wie war’s?«
»Mit Olaf, meinst du?«, frage ich und schalte den Fernseher aus.
»Ja, klar mit Olaf. War’s nett?«
»Es war nett, ja«, sage ich neutral.
Einen Moment bleibt es still, dann ruft sie: »Na los! Erzähl schon! Warst du mit ihm im Bett?«
»Willst du nicht wissen, wie der Abend war?«
»Erst will ich wissen, ob du mit ihm im Bett
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