Klassentreffen
Weile.
KAPITEL 37
So unglaubwürdig das auch klingen mag, in dieser Nacht passiert wirklich nichts außer schlafen. Okay, wir schmusen, flüstern und lachen auch, tauschen bis spätnachts Erinnerungen an früher aus. Eng aneinander gekuschelt schlafen wir schließlich ein, ganz so, als wären wie nie getrennt gewesen.
Das Aufwachen ist ganz anders als mit Olaf; ich liege entspannt auf der Seite und lausche Barts Atemzügen, muss über seine kleinen Schlafgeräusche kichern. Am liebsten würde ich sein Gesicht streicheln, aber ich will ihn nicht wecken. Es ist noch früh, viel zu früh. Er soll in Ruhe ausschlafen.
Ich schmiege mich an ihn, seufze genüsslich und schlummere dann selbst wieder ein. Als ich die Augen aufschlage, sehe ich Barts Gesicht direkt vor mir.
»Guten Morgen«, sagt er leise.
»Guten Morgen«, murmle ich und strecke mich. »Wie spät ist es denn?«
»Noch nicht besonders spät. Wir haben alle Zeit der Welt.« Er küsst mich sanft, ganz liebevoll, und in mir steigt Erregung auf.
»Alle Zeit wofür?«, frage ich neckisch und erwidere die Küsse.
Auf den Ellbogen gestützt, schaut Bart zu mir herunter. »Um nachzuholen, was wir früher versäumt haben. Es ist sicher kein Zufall, dass ich dich ausgerechnet jetzt wieder getroffen habe. Vor einem halben Jahr war ich noch verheiratet.«
Das hätte er nicht sagen sollen. Meine entspannte, glückselige Stimmung verflüchtigt sich. Wir können noch so sehr Versäumtes nachholen wollen – inzwischen sind neun Jahre ins Land gegangen, Jahre, die uns geprägt haben, in denen wir uns weiterentwickelt haben. Das hier ist nicht der Bart, den ich kenne, das hier ist ein Mann, der eine Ehe hinter sich hat und Vater eines kleinen Mädchens ist.
Bart spürt, was ich denke; diese Fähigkeit hatte er früher schon.
»Sabine«, sagt er leise. »Ich meine es sehr ernst mit dir, das weißt du doch, oder?«
»Hmmm …« Ich lächle, und eine warme Glückswelle spült meine Zweifel fort. »Ich meine es auch sehr ernst mit dir.«
Wir küssen uns. Die Sonne zwängt sich durch einen Vorhangspalt, will uns daran erinnern, dass der Rest der Menschheit jetzt allmählich aufsteht, wir aber bleiben liegen. Unsere Erregung steigert sich, und auf einmal ist Küssen und Streicheln nicht mehr genug. Das Telefonklingeln könnte kaum störender sein.
Wir starren beide zum Nachttisch. Bart lässt sich von dem schrillen Läuten nicht irritieren und widmet sich wieder ganz mir, aber das Telefon klingelt so penetrant, dass er sich schließlich mit einem ärgerlichen Seufzer von mir wegwälzt und abnimmt.
»Ja? Hier Bart.«
Am anderen Ende ist eine Frau, ich höre es deutlich. Bart lauscht, nickt ein paarmal – als könnte sie das sehen – und sagt »hmmm« und »verstehe« und »kein Problem, ich komme sofort«. Dann legt er auf.
Beunruhigt sehe ich ihn an. »Musst du weg?«
»Ja, Mist noch mal!«, stöhnt er und vergräbt das Gesicht an meiner Schulter. »Es tut mir Leid! Ich hätte heute so gern was Schönes mit dir unternommen, aber nun hat Dagmar
Grippe, und ihre Eltern sind verreist. Sie hat mich gebeten, dass ich Kim heute nehme, damit sie sich auskurieren kann.«
»Ach je«, sage ich. »Tja …«
»Ich konnte unmöglich Nein sagen. Sie kann sich doch nicht richtig um die Kleine kümmern, wenn sie mit Fieber im Bett liegt, oder?« Bart sieht mich verständnisheischend an.
Es stört mich, und zwar ganz gewaltig, aber ich gewöhne mich besser gleich daran, mehr noch, ich werde beweisen, wie souverän ich mit solchen Situationen umgehen kann.
»Klar«, sage ich verständnisvoll. »Fahr rasch hin, wir treffen uns dann ein andermal.«
»Du bist ein Schatz.« Bart küsst mich lange und dankbar. »Wirklich, ein echter Schatz. Weißt du was, wir frühstücken jetzt noch zusammen, und ich rufe dich dann später an. Du musst mir nachher noch deine Adresse und Telefonnummer geben.«
Am Frühstückstisch tauschen wir unsere Daten aus, und bald darauf wird Bart nervös. Er will zu seiner Tochter, vielleicht auch zu seiner Ex. Sie haben sich einmal geliebt, waren verheiratet, sind durch das gemeinsame Kind für alle Zeiten miteinander verbunden. Wie viel bleibt von diesen Gefühlen, auch wenn man geschieden ist?
Wir verabschieden uns ausführlich, ein letzter Kuss und dann noch einer. Ein Streicheln, ein Winken, rasch noch mal zurücklaufen für den allerletzten Kuss … und dann sitze ich in meinem Auto und Bart in seinem, und wir hupen zum Abschied.
Trotz des
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