Klatschmohn
überlegen, ob Leander überhaupt wusste, dass ich bald Geburtstag hatte. Er war momentan sehr im Stress. Noch mehr Arbeit, dabei war er gedanklich schon bei seinem neuen Job; der Vertrag stand, wie er berichtete, kurz vor dem Abschluss.
Leider konnten wir momentan nicht so viele Stunden miteinander verbringen, wie wir wollten, dafür war es jedes Mal umso schöner, wenn wir Zeit füreinander fanden. Trotzdem vermisste ich ihn schmerzlich, wenn wir uns nicht sehen konnten. So sehr, dass ich vor einigen Tagen nicht hatte einschlafen können.
Kurz entschlossen war ich ins Auto gestiegen, um Leander mitten in der Nacht zu überraschen. Die Überraschte war allerdings ich, denn Leander war nicht zu Hause gewesen. Kurz hatten mich Zweifel überkommen, ob er mich eventuell betrog.
Aber am nächsten Morgen hatte sich alles aufgeklärt. Leander hatte einen frühen Termin in Wien gehabt und war bereits abends geflogen. Sein Handy hatte er zu Hause vergessen, deshalb war auch die Anrufansage zu hören gewesen.
Gelacht hatte er, als ich fragte, ob er eine andere habe.
»Süße. So langsam glaube ich auch, dass du zu viel arbeitest. Es wird höchste Zeit, dass wir mal wieder einen romantischen Abend verbringen. Nur wir beide.«
Heute Abend war es soweit: Wir trafen uns zum Essen. Leander holte mich ab, und wir fuhren zur Eröffnung eines neuen Fischrestaurants. Ein kleines, einfach gehaltenes Lokal mit ausgezeichnetem, aber keinesfalls überkandideltem Essen.
Kerzenschein, neapolitanische Klänge im Hintergrund, Leander heiter aufgelegt.
Was für ein schöner Abend!
Natürlich konnte ich mir nicht verkneifen nachzufragen, ob er denn wisse, was nächste Woche für ein Datum sei.
Er spielte den Unwissenden.
»Hm … nächste Woche. Richtig, da kommt meine Putzfrau aus dem Urlaub und mein Wagen in die Werkstatt, wieso fragst du?«
Das Geplänkel zog sich eine Weile hin, bis er mir gestand, dass ich eine Überraschung für meinen Geburtstag erwarten dürfe. Ich konnte es kaum erwarten.
Den Rest des Abends machte er mir immer wieder Komplimente und versicherte mir, wie glücklich ich ihn machte. Gab es eine Steigerung von Glück?
Für mich nicht, das stand fest. Ich hatte geglaubt, man könne gar nicht so viel auf einmal haben. Den Mann fürs Leben, einen guten Job, tolle Freunde, eine Familie, die einen unterstützte.
Nach einer wunderschönen Nacht stand ich, diszipliniert wie ich war, früh auf, um mit der Biografie voranzukommen. Leander konnte ausnahmsweise liegen bleiben, seine Aufzeichnung war erst gegen Nachmittag angesetzt. Gerade als ich gehen wollte, zog Leander mich noch einmal zurück ins Bett.
»Na, wo willst du denn so schnell hin, ohne dich richtig zu verabschieden?«
Ich? Nirgends natürlich! Wer konnte diesem Mann schon widerstehen? Und was machte es, wenn ich ausnahmsweise zu spät kam?
Schweren Herzens riss ich mich schließlich los. Auf dem Weg zur Tür klingelte Leanders Handy. Er nahm ab und sprach seltsam, fast flüsternd. Es war hoffentlich nichts passiert? Leise ging ich zurück ins Schlafzimmer und hörte gerade noch, wie Leander sagte: »Dann bis später, ich freu mich.«
Als er meinen fragenden Blick sah, seufzte er. »Das war eine Journalistin, die mit mir vor der heutigen Aufzeichnung ein Interview machen möchte. Ich treffe mich mit ihr zum Lunch, dabei wollte ich doch gerne mit dir essen gehen.«
Er wirkte so betrübt, dass ich ihn umarmte und beruhigte. »Leander, das verstehe ich. Gehört nun mal zu deinem Job. Wir haben doch alle Zeit der Welt.«
Leander war sichtlich erleichtert, fuhr mir durch die Haare und flüsterte: »Womit habe ich dich nur verdient?«
Das konnte nicht sein Emst sein! Wenn jemand sich diese Frage stellen konnte, dann ich. Gut gelaunt fuhr ich noch schnell bei der Reinigung vorbei und gab Leanders Hemden ab.
Obwohl ich mich verspätet hatte, war im Büro außer Max noch keiner da. In den vergangenen Wochen waren wir immer als Erste gekommen und als Letzte gegangen. Zum Glück verstanden wir uns prächtig und zogen uns gegenseitig nur zu gerne auf. Da Max bereit war, sich in die zugegebenermaßen für ihn langweilige Materie, nämlich Leanders Leben, einzuarbeiten, war er inzwischen viel mehr für mich als nur der Fotograf. Er beriet mich und half auch mit der Koordination, wenn Vera zu viel zu tun hatte. Wir waren ein gutes Team, und ohne ihn wäre ich sicher schon zusammengeklappt. So aber hatte die Situation etwas von Studententagen,
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