Klausen
der Kalkabbau). Der Eisack – zerteilt von einem mehrstufigen Stausystem, seine Ufer schnurgerade und mit Mischbeton befestigt. Über den Fluß zogen sich Brücken, die auf der Höhe der Autobahnauffahrt fast Platten waren, dorfgroße Platten (dieses Wort benutzte er). Unter diesen Plattenbrücken – nichts als Dunkelheit. Über dem Silo der Autobahnviadukt, die A 22 , gestützt auf in den Berg und die Wälder hineingerammte Riesensäulen aus Stahlbeton. Wie einLindwurm schlängelt sich diese Autobahn durch das Tal und begräbt links und rechts alles unter sich. Hin und wieder rammt die Autobahn selbst sich in eine Bergflanke hinein, zehn Kilometer flußabwärts haben sie dafür die alte Trostburg untertunnelt etcetera , in diesem Stil ging der Text immer weiter. Einige hundert Meter nach Norden hin verzweige sich die Autobahn zu einem knotenartigen Geflecht, das die ganze rechte Talseite ausfülle: die Mautstation, die Auffahrt, die Abfahrt nach Klausen, die Straße nach Gufidaun, die weitere Straße nach X, alles überzogen von einer Schnur Laternen und Schilder. Die Straßen legen sich um die alten Bauernhäuser wie Schlingen, die von Bebauungsplan zu Bebauungsplan enger gezogen werden. Viele Menschen sind längst umgesiedelt worden, ihre Häuser eingeebnet. Der Lärm, der im Tal herrschte, war gewaltig, schrieb der Anonyme. (Einige vor dem Nussbaumer stimmten dem allerdings sofort zu, ihnen schien sogar, daß der Anonyme eigentlich nichts weiter machte, als die Gegebenheiten sehr detailliert zu beschreiben. Aber sie sagten doch auch, der Anonyme sei gerade aufgrund dieser Detailliertheit eine völlig krankhaft fixierte Person.) Und weiter: Neben dem Staudamm der riesige Komplex der Speckfabrik. Daneben, mindestens ebenso riesig, die Eisacktaler Weinkellerei. Beide Komplexe fast so groß wie das ganze alte Klausen zusammen. Etcetera . Einige der Personen in der Traube vor dem Aushang begannen ein hitziges Gespräch. Sie gingen alsbald alle gemeinsam zum Nussbaumer hinein, Gruber undMoreth folgten ihnen. Giuseppe Neri saß an einem Tisch und machte erregte Gesten mit der rechten Hand, während er mit Stadtrat Valli redete oder stritt. Die Kommunisten, immer heiße es, die Kommunisten, rief Neri, er schrie fast und machte dauernd italienische Interjektionen. Aber was ist denn mit den Kommunisten? Was haben die Kommunisten in Italien jemals angerichtet? Nichts haben sie angerichtet, nichts. Italiener richten überhaupt nie etwas an, das, genau das sei ja Italien. Italien macht nichts. Auch die Faschisten, was haben sie gemacht, die italienischen Faschisten? Wir hatten Rom, Rom war groß, damals, aber die Faschisten waren es nicht. Valli: Sie haben immerhin Mussolini gehabt, das undemokratische System, den … den Futurismus. Neri: Ah, so rede er nicht. Mussolini, und? Und weiter? Was heiße das, Mussolini? Das sind alles die Argumente von euch, ich höre darauf nicht, es interessiert mich nicht, schlagt ihr euch mit euren Gassers und so weiter herum, aber laßt uns in Ruhe. Hanspaul Meraner saß hinter einem Waldler an einem Tisch und sagte in aller Seelenruhe, sie hätten ja nicht herkommen brauchen. Neri verlor jetzt die Fassung. Er sprang auf, machte noch viel heftigere Gesten mit der rechten Hand und rief, wen er mit ihr meine, das solle er sagen, sofort solle er das sagen, wen er mit ihr meine! Meraner: Euch Italiener meine ich. Ah, rief Neri. Euch Italiener! Aber hast du mal in deinen Paß geschaut, hast du das? Und was steht dort? Dort steht Italiener. Meraner: Ihm sei doch vollkommen gleich, was in seinemPaß stehe. Das sei alles von Anfang an lächerlich gewesen, wenigstens aber inhaftieren sie uns jetzt alleweil nicht mehr, die Italiener, wenn wir das sagen, was ich hier gerade sage. Neri stand nun mitten im Raum und machte mit beiden Armen eine Geste, die im südlicheren Raum sicherlich nicht so großartig gewirkt hätte wie hier in Klausen. Ich brauche Südtirol nicht, rief er. Ihr könnt tun, was ihr wollt. Ihr wollt mich nicht? Gut! Dann gehe ich eben wieder. Meint ihr etwa, es war meine eigene Idee, hierher zu kommen? Ich bin auch nur ein Mensch. Es hieß, geh nach Alto Adige, da gibt es Arbeit, da wächst die Wirtschaft, hieß es. Und dann habe ich gedacht, es sei Italien. Ich habe einfach gedacht, es sei Italien. Valli: Es ist doch auch Italien. Jetzt dramatisiert das doch nicht alles so! Wir haben diese Probleme doch längst alle gelöst. Meraner: Nichts haben wir gelöst. In meinem Paß steht,
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