Kleider machen Leute
mochte. Alles
wurde demgemäß verabredet und zubereitet, als die Mutter
nachdenklich und traurig wurde und mich eines Tages plötz-
lich mit vielen Tränen bat, sie nicht zu verlassen, sondern mit
ihr arm zu bleiben; sie werde nicht alt werden, sagte sie, und
ich würde gewiß noch zu etwas Gutem gelangen, auch wenn
sie tot sei. Die Gutsherrin, der ich das betrübt hinterbrachte,
kam her und machte meiner Mutter Vorstellungen; aber diese
wurde jetzt ganz aufgeregt und rief einmal um das andere, sie
lasse sich ihr Kind nicht rauben; wer es kenne — “
Hier stockte Wenzel Strapinski abermals und wußte sich
nicht recht fortzuhelfen. Nettchen fragte: „Was sagte die Mut-
ter, wer es kenne? Warum fahren Sie nicht fort?“
Wenzel errötete und antwortete: „Sie sagte etwas Selt-
sames, was ich nicht recht verstand und was ich jedenfalls
seither nicht verspürt habe; sie meinte, wer das Kind kenne,
könne nicht mehr von ihm lassen, und wollte wohl damit
sagen, daß ich ein gutmütiger Junge gewesen sei oder etwas
dergleichen. Kurz, sie war so aufgeregt, daß ich trotz alles Zu-
redens jener Dame entsagte und bei der Mutter blieb, wofür
sie mich doppelt liebhatte, tausendmal mich um Verzeihung
bittend, daß sie mir vor dem Glücke sei. Als ich aber nun auch
etwas verdienen lernen sollte, stellte es sich heraus, daß nicht
viel anderes zu tun war, als daß ich zu unserm Dorfschneider
in die Lehre ging. Ich wollte nicht, aber die Mutter weinte so
sehr, daß ich mich ergab. Dies ist die Geschichte.“
Auf Nettchens Frage, warum er denn doch von der Mutter
fort sei und wann? erwiderte Wenzel:
„Der Militärdienst rief mich weg. Ich wurde unter die Hu-
saren gesteckt und war ein ganz hübscher roter Husar, obwohl
vielleicht der dümmste im Regiment, jedenfalls der stillste.
Nach einem Jahre konnte ich endlich für ein paar Wochen
Urlaub erhalten und eilte nach Hause, meine gute Mutter zu
sehen; aber sie war eben gestorben. Da bin ich denn, als meine
Zeit vorbei war, einsam in die Welt gereist und endlich hier in
mein Unglück geraten.“
Nettchen lächelte, als er dieses vor sich hinklagte und sie
ihn dabei aufmerksam betrachtete. Es war jetzt eine Zeitlang
still in der Stube; auf einmal schien ihr ein Gedanke aufzu-
tauchen.
„Da Sie“, sagte sie plötzlich, aber dennoch mit zögerndem
spitzigen Wesen, „stets so wertgeschätzt und liebenswürdig
waren, so haben Sie ohne Zweifel auch jederzeit Ihre gehö-
rigen Liebschaften oder dergleichen gehabt und wohl schon
mehr als ein armes Frauenzimmer auf dem Gewissen — von
mir nicht zu reden?“
„Ach Gott,“ erwiderte Wenzel, ganz rot werdend, „eh ich zu
Ihnen kam, habe ich niemals auch nur die Fingerspitzen eines
Mädchens berührt, ausgenommen — “
„Nun?“ sagte Nettchen.
„Nun,“ fuhr er fort, „das war eben jene Frau, die mich mit-
nehmen und bilden lassen wollte, die hatte ein Kind, ein Mäd-
chen von sieben oder acht Jahren, ein seltsames heftiges Kind,
und doch gut wie Zucker und schön wie ein Engel. Dem hatte
ich vielfach den Diener und Beschützer machen müssen, und
es hatte sich an mich gewöhnt. Ich mußte es regelmäßig nach
dem entfernten Pfarrhof bringen, wo es bei dem alten Pfarrer
Unterricht genoß, und es von da wieder abholen. Auch sonst
mußte ich öfter mit ihm ins Freie, wenn sonst niemand gerade
mitgehen konnte. Dieses Kind nun, als ich es zum letzten Mal
im Abendschein über das Feld nach Hause führte, fing von der
bevorstehenden Abreise zu reden an, erklärte mir, ich müßte
dennoch mitgehen, und fragte, ob ich es tun wollte. Ich sagte,
daß es nicht sein könne. Das Kind fuhr aber fort, gar beweg-
lich und dringlich zu bitten, indem es mir am Arme hing und
mich am Gehen hinderte, wie Kinder zu tun pflegen, so daß ich
mich bedachtlos wohl etwas unwirsch frei machte. Da senkte
das Mädchen sein Haupt und suchte beschämt und traurig die
Tränen zu unterdrücken, die jetzt hervorbrachen, und es ver-
mochte kaum das Schluchzen zu bemeistern. Betroffen wollte
ich das Kind begütigen; allein nun wandte es sich zornig ab und
entließ mich in Ungnaden. Seitdem ist mir das schöne Kind
immer im Sinne geblieben, und mein Herz hat immer an ihm
gehangen, obgleich ich nie wieder von ihm gehört habe — “
Plötzlich hielt der Sprecher, der in eine sanfte Erregung
geraten war, wie erschreckt inne und starrte erbleichend seine
Gefährtin an.
„Nun,“ sagte
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