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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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steuerte auf die Hintertür
zu, Delia ihr folgsam auf den Fersen.
    Im Garten seitlich war Sam am
Grill beschäftigt. »Die Temperatur ist gerade richtig«, sagte er zu Delia. »Hallo,
Mutter. Schön, daß du da bist.«
    »Was ist denn mit den Büschen
los, mein Sohn?« fragte Eleanor, den Blick an ihm vorbei gerichtet.
    »Die kommen raus«, sagte er.
»Wir pflanzen alles restlos neu.«
    »Das kostet doch ein Vermögen!
Warum nehmt ihr nicht, was ihr noch habt, du meine Güte?«
    »Wir wollen es funkelnagelneu«,
erklärte Sam. ( Wir? dachte Delia.) »Die alten sind wir leid. Dee, ich
glaube, es kann losgehen.«
    Als Delia ins Haus ging, hörte sie
Eleanor sagen: »Also, ich weiß nicht, mein Sohn, ihr scheint steinreich zu
sein, wenn du mich fragst: Spargel zum Abendessen und gegrillter Fasan.«
    »Hähnchen«, rief Delia zurück.
    Eliza mußte es auch gehört
haben, denn sie grinste in sich hinein, als Delia die Tür mit dem Fliegengitter
öffnete. »Bring du es ihm«, sagte Delia zu ihr. »Ich halte es nicht mehr aus.«
    »Ach, komm, du nimmst sie viel
zu persönlich«, sagte Eliza, während sie zum Eisschrank ging. Eliza fand
Eleanor offenbar lediglich amüsant. Aber Eliza war auch nicht Eleanors
Schwiegertochter. Ihr wurde Eleanor nicht täglich als Ausbund der Sparsamkeit
vorgehalten, Eleanor, mit ihrem fachmännisch bestückten Werkzeugkoffer, dem
zwölfspaltigen Haushaltsbuch und den doppelt und dreifach benutzten Plastiktüten.
    War Sam je aufgefallen, daß
Delia sich eher seinem Vater verwandt fühlte?
    Sie legte das Besteck zurecht,
von jedem zehn, und ging ins Eßzimmer. Die Gartengeräusche klangen gedämpft
herein, und ihre Gedanken kehrten zu Adrian zurück. Sie umrundete den Tisch und
legte Messer und Gabeln aus, dachte, wie Adrians Finger über ihrem Kragen
raschelten, wie warm sein Atem beim Küssen war. Aber an den Kuß konnte sie sich
nicht mehr richtig erinnern, stellte sie fest. Eleanors Überfall hatte ihre
Gefühle verschreckt, wie früher, wenn sie und Sam sich liebten und das Telefon
läutete und sie, sozusagen, den Faden verlor, anschließend nicht mehr in das
Gefühl zurückfand.
    Sie kehrte in die Küche zurück,
zu Eliza, die vor dem Schrank mit den Gläsern stand und überlegte. »Welche
nehmen wir?« fragte Eliza. »Eistee oder Wein?«
    »Wein«, antwortete Delia auf
der Stelle.
    Aus dem Garten schallte
Eleanors beherzte Stimme: »Hast du eine Ahnung, was momentan der Spargel
kostet?«
    »Eher wenig, oder?« sagte Sam
gleichmütig.
    »Ein Vermögen«, erklärte
Eleanor. »Aber wir essen ihn zum Abendbrot: Spargel mit gegrilltem Pfau.«
    Nur Eliza konnte darüber
lachen.
     
    * * *
     
    Sie aßen erst spät, aus
verschiedensten Gründen. Zuerst brauchten Linda und Susie endlos, die Zwillinge
vom Schwimmbad abzuholen, und dann kam Ramsay erst um sieben, obwohl er
versprochen hatte, um sechs zu Hause zu sein. Und als er auftauchte, hatte er
seine Freundin im Schlepptau und deren blasse, stumme sechsjährige Tochter. Das
begeisterte die Zwillinge, doch Delia war wütend. Es war klar gewesen: heute
abend nur Familie. Aber sie hatte nicht die Nerven, Ramsay in aller
Öffentlichkeit zu maßregeln. Innerlich kochend, quetschte sie zwei zusätzliche,
zusammengewürfelte Gedecke zwischen die anderen, bevor sie zu Tisch rief.
    Velma, die Freundin, war eine
winzige, elfenhafte junge Frau mit durchscheinendem Haarschopf und aufreizend
kleinem Körper, den sie in adretten weißen Shorts gekonnt zur Geltung brachte.
Delia konnte nachvollziehen, worin ihre Anziehungskraft lag. Zum einen nahm sie
gleich nach Betreten des Wohnzimmers zielsicher Platz an einem der
Extra-Gedecke, als sei sie eine Existenz am Rande des Geschehens gewohnt. Zum
anderen war sie dermaßen quicklebendig, daß selbst Carroll — natürlich Carroll -
in ihrer Gegenwart munter wurde und Sam ihr sogar das größte Stück Hähnchen
servierte. (»Damit du ein bißchen Fleisch auf die Rippen kriegst«, sagte er —
eigentlich ganz und gar untypisch für ihn.) Dann eroberte sie Lindas Herz,
indem sie die Namen der Zwillinge bewunderte. »Ich bin völlig verrückt nach
allem, was französisch klingt; das können Sie schon daran sehen, daß meine
Tochter Rosalie heißt«, sagte sie. »Mist, ich möchte mal nach Frankreich. Zur
Haarmodenschau nach Hagerstown — weiter bin ich im Leben nicht gekommen.«
    Velma war Friseuse. Sie
arbeitete in einem Damen- und Herrensalon, und dort hatte sie Ramsay
kennengelernt. Er wollte sich die Haare

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