Kleine Abschiede
einen Computer. Er hatte ihn
erst kürzlich erworben und war von ihm völlig fasziniert; vielleicht war das
der Grund, wieso er Katies Ablagesystem nicht durchschaut hatte. Theoretisch
wollte er die Geheimnisse des Geräts ergründen und dann Delia beibringen. Doch
schon am ersten Morgen erkannte Delia, daß sie nichts zu fürchten hatte. Der
Computer würde auf immer und ewig an seinem provisorischen Platz bleiben und
Mr. Pomfret sich glücklich und zufrieden mit »Backups« und »Macros«
herumschlagen. Momentan speicherte er jede Dinnerparty, die er und seine Frau
je gegeben hatten — Gästeliste, Speisefolge, Getränkekarte und selbst die
Sitzordnung — , alles variabel bis ins Unendliche. Delia warf einen wütenden
Blick auf den Bildschirm und machte einen großen Bogen um das Gerät, steuerte auf
die Kaffeemaschine am anderen Ende der Anrichte zu.
Wasser, Filtertüte,
französischer Kaffee. Die Kaffeemaschine war vom Feinsten: mit eingebauter
Kaffeemühle. Vermutlich stammte sie aus einem der kiloschweren Kataloge, die
der Büropost erst das wahre Gewicht verliehen. Immer wenn Mr. Pomfret darin
etwas nach seinem Geschmack entdeckte, ließ er Delia eine Bestellung aufgeben.
(»Gern, Mr. Pomfret...«) Sie führte Ferngespräche kreuz und quer über den
Kontinent, bestellte einen sprechenden Wecker, ein elektronisches
Taschenlexikon, ein schwarzes Lederetui für die Straßenkarten im Handschuhfach.
Angesichts der Habsucht ihres Arbeitgebers wie seines dicken Bauchs, fand Delia
sich wohlgeformt und tugendhaft. Die Bestellungen machten ihr gar nichts aus.
Alles an dieser Arbeit gefiel ihr, am meisten, wie trocken sie war. In einer
Anwaltskanzlei mußte sie niemandem mitteilen, daß er Krebs im fortgeschrittenen
Stadium hatte. Niemand erzählte Delia, was es bedeutete, blind zu werden.
Niemand erinnerte sich, wie sie als Baby ausgesehen hatte.
Sie drückte einen Knopf und
setzte die Kaffeemühle in Gang. »Hilfe!« rief Mr. Pomfret bei dem Getöse. Er
glotzte auf den Computerbildschirm, wo die Buchstaben nur so wackelten.
Unerfindlicherweise war er nie auf die Idee gekommen, daß die Kaffeemühle daran
schuld war. Delia verließ den Raum, schloß diskret die Tür hinter sich.
Sie tippte noch einen Brief,
diesmal drehte es sich um die Rechtsgrundlage eines vereidigten
Wirtschaftsprüferbüros. In Bezugnahme auf unser Gespräch, tippte sie, fiskalische
Haftung (Katie hatte fikalische geschrieben), und Zustimmung der
Nicht-Anwesenden. Ordnung ging ihr über Schnelligkeit, ganz im Sinne der
neuen Miss Grinstead, und wenn schon Fehler, dann: vertuschen auf Original und
Durchschlag.
Mr. Miller kam — ein großer,
gutaussehender Mann mit bräunlicher Haut und spärlichem schwarzem Haar. Delia
folgte ihm in Mr. Pomfrets Büro, schenkte Kaffee ein und hockte mit gezücktem
Stift und Papier auf der Stuhlkante. Ihre Befürchtung, sie käme beim Schreiben nicht
mit, erwies sich als überflüssig, denn es gab nicht viel zu schreiben. Die
Frage war, wie oft Mr. Millers Exfrau den gemeinsamen Sohn sehen durfte, und
Mr. Millers Antwort lautete: »Nie«, was Mr. Pomfret in »einmal pro Woche und an
Sonn- und Feiertagen abwechselnd, dem zeitlichen Wunsch des Klienten
entsprechend«, umwandelte. Dann kam das Gespräch auf Computer, und als es nicht
wieder zum Thema zurückkehrte, räusperte sich Delia und fragte: »Wäre das
alles?«
Mr. Pomfret sagte: »Wie bitte?
Oh! Ja, danke, Miss Grinstead.« Im Hinausgehen hörte sie, wie er Mr. Miller
erklärte: »Wir kümmern uns sofort darum. Mein Mädchen macht den Brief heute
nachmittag noch fertig.«
Delia setzte sich auf den
Drehstuhl, spannte Papier in die Maschine und schrieb. Hätte jemand volle
Wassergläser auf ihre Handrücken gestellt, sie wären nicht ins Wanken geraten.
Der einzige Termin sonst war um
vier — eine Dame mit diversen Aktien, die ihrer verstorbenen Mutter gehört
hatten — , in diesem Fall waren Delias Dienste nicht erforderlich. Sie schrieb
Adressen auf Umschläge, steckte die zusammengefalteten Briefe hinein, die Mr.
Pomfret unterschrieben hatte. Sie klebte die Umschläge zu, klebte Briefmarken
drauf. Sie beantwortete einen Anruf einer gewissen Mrs. Darnell, die einen
Termin für Montag ausmachte. Mr. Pomfret ging an ihr vorbei, schob seine Arme
in die Ärmel seiner Anzugsjacke. »Guten Abend, Miss Grinstead«, sagte er.
»Guten Abend, Mr. Pomfret.«
Sie sortierte die Durchschläge
und legte sie ab. Sie legte die Reste der Akte »Laufende Fälle« in
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