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Kleine freie Männer

Kleine freie Männer

Titel: Kleine freie Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hineinstürmen. Wir können nicht überall hineinstürmen. Es sieht nicht gut aus, wenn wir sofort wieder herausstürmen müssen.«
    Tiffany stellte fest, dass alle Größten nach oben sahen und ihr keine Beachtung mehr schenkten.
    Verärgert und verwirrt nahm sie auf einem der rostigen Räder Platz und blickte zum Himmel empor. Das war besser, als sich auf dem Boden umzusehen. Oma Wehs Grab befand sich irgendwo in der Nähe, aber wo genau, ließ sich jetzt nicht mehr feststellen. Die Grasnarbe war geheilt.
    Einige kleine Wolken zeigten sich am Firmament, sonst nichts, abgesehen von den fernen Punkten kreisender Bussarde.
    Es flogen immer Bussarde über dem Kreideland. Die Schäfer hatten sich angewöhnt, sie »Oma Wehs Küken« zu nennen, und einige von ihnen nannten die Wolken »Omas kleine Lämmer«. Und Tiffany wusste, dass selbst ihr Vater den Donner »Oma Wehs Schimpfen« nannte...
    Und es hieß, dass manche Schäfer, wenn Wölfe im Winter Probleme machten oder ein wichtiges Mutterschaf verloren gegangen war, dorthin gingen, wo einst die alte Hütte gestanden hatte, und dort eine Unze des Fröhlichen Seemanns zurückließen, nur für den Fall...
    Tiffany zögerte. Dann schloss sie die Augen. Ich möchte, dass es wahr ist, flüsterte sie sich selbst zu. Ich möchte sicher sein, dass andere Leute glauben, sie wäre nicht wirklich fort.
    Sie sah unter den breiten rostigen Radkranz und erschauerte. Ein kleines, buntes Päckchen lag dort.
    Tiffany hob es auf. Es wirkte recht neu und hatte vermutlich nur einige Tage da gelegen. Auf der einen Seite war der fröhliche Seemann abgebildet, mit seinem großen Lächeln, der gelben Regenkappe, dem dichtem Bart und den blauen Wellen hinter ihm.
    Durch die Verpackung des Fröhlichen Seemanns hatte Tiffany vom Meer erfahren. Sie hatte gehört, dass es groß war und donnerte. Ein Turm stand am Ufer, ein Leuchtturm, ganz oben ein großes Licht, das nachts leuchtete, damit Schiffe nicht an den Felsen zerschellten. Die Bilder zeigten den Lichtstrahl des Leuchtturms in einem strahlenden Weiß. Tiffany wusste so gut darüber Bescheid, dass sie davon geträumt hatte und mit dem Donnern des Meeres in den Ohren erwacht war.
    Einer ihrer Onkel hatte gesagt: Wenn man das Tabaketikett verkehrt herum betrachtet, so formen ein Teil der Kappe, das Ohr des Seemanns und etwas von seinem Kragen das Bild einer unbekleideten Frau. Tiffany hatte die Frau nie erkennen können und wusste auch nicht, was daran so interessant sein sollte.
    Vorsichtig zog sie das Etikett von dem Päckchen und schnupperte daran. Es roch nach Oma. Tiffany spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie hatte nie um Oma Weh geweint. Sie weinte um tote Lämmer, und wenn sie sich in den Finger schnitt, und wenn sie nicht ihren Willen bekam, aber nie um Oma. Es erschien ihr einfach nicht richtig.
    Ich weine auch jetzt nicht um sie, dachte sie und steckte das Etikett in die Schürzentasche. Nicht um die tote Oma...
    Es war der Geruch. Oma Weh roch nach Schafen, Terpentin und Tabak. Die drei Gerüche vermischten sich und wurden zu einem, zum Geruch des Kreidelands, wusste Tiffany. Er folgte Oma Weh wie eine Wolke, bedeutete Wärme, Stille und einen Raum, um den sich die ganze Welt drehte...
    Ein Schatten strich vorbei. Tiffany hob den Blick und sah einen Bussard, der sich im Sturzflug den Wir-sind-die-Größten näherte.
    Sie sprang auf und winkte. »Lauft weg! Geht in Deckung! Der Bussard wird euch töten!«
    Die kleinen Männer drehten sich zu ihr um und sahen sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
    »Keine Sorge, Meisterin«, sagte Rob Irgendwer.
    Als der Bussard fast den Boden erreicht hatte, flog er einen Bogen und begann wieder aufzusteigen. Dabei löste sich ein Punkt von ihm, der fiel und dem dabei zwei Flügel zu wachsen schienen. Sie drehten sich wie ein Bergahornblatt und verlangsamten den Sturz ein wenig.
    Tiffany erkannte einen Kobold, der sich noch immer schnell drehte, als er wenige Meter entfernt auf den Boden prallte und umkippte. Er stand auf, fluchte laut und kippte erneut um. Er fluchte weiter.
    »Gute Landung, Hamisch«, sagte Rob Irgendwer. »Durch das Drehen fällste langsamer. Diesmal haste dich kaum in den Boden gebohrt.«
    Hamisch stand noch einmal auf, diesmal vorsichtiger, und es gelang ihm, auf den Beinen zu bleiben. Er trug eine Schutzbrille vor den Augen.
    »Allmählich habe ich genug davon«, sagte er und versuchte, zwei dünne Holzstücke von seinen Armen zu lösen. »Mit diesen

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