Kleine Luegen erhalten die Liebe
auszulöschen, dass sie vollkommen geschlaucht war! Erschöpft! Es war ihrer Kontrolle entglitten. Als er mit Karen zusammen gewesen war, hatte Mia es gerade noch verkraften können, aber nur, weil Karen keine echte Gefahr dargestellt hatte … Doch nun, da sie wusste, dass er mitEmilia ausgehen würde, dass er mit ziemlicher Sicherheit Sex mit dieser hinreißenden jungen Frau haben würde und, was noch schlimmer war, es wahrscheinlich auch genießen würde? Ja, nun sah die Sache ganz anders aus! Sie spürte Eifersucht in sich, eine strapaziöse, schwächende Eifersucht, die sie nie zuvor gekannt hatte, ja, von der sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie dazu fähig war.
Melody war zur Toilette gegangen, sodass Mia und Anna jetzt allein waren. Unter Annas durchdringendem Blick wandte Mia das Gesicht ab.
»So«, sagte Anna mit einem übertriebenen Seufzer, und ihre Stimme war so kalt, dass Mia innerlich erschauderte. »Was ist los mit dir? Man könnte meinen, du wärst eifersüchtig, weil Fraser und Emilia miteinander ausgehen. Auf jeden Fall stellst du eine Menge Fragen.«
Mia bewegte sich nervös auf ihrem Stuhl. »Es interessiert mich nur«, antwortete sie. »Sie ist meine Portugiesisch-Lehrerin, daher habe ich natürlich eine Art persönliches Interesse.«
Anna gab nur ein verächtliches Schnauben von sich, und zu ihrem Schrecken wurde Mia sich der Tatsache bewusst, dass sie, anders als Anna Spanner, sehr betrunken war. Ärger lag in der Luft.
Anna beugte sich so weit vor, dass Mia ihren Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. Ihre Augen wirkten riesig in ihrem kleinen Gesicht, und irgendwie sah sie wie ein verrückt gewordener kleiner Vogel aus. Mia wusste nicht, ob Anna zu weinen beginnen oder sie schlagen würde.
»Du bist verliebt in ihn, nicht wahr?«, fragte sie. »Du bist verliebt in Fraser.«
Gott, die alte Spanner hatte vielleicht Nerven, sie einfach so damit zu konfrontieren!
»Ich bin nicht verliebt in Fraser«, erwiderte Mia, doch kaumhatten die Worte ihren Mund verlassen, merkte sie, dass sie alles andere als überzeugend klangen. »Ich weiß wirklich nicht, wovon du redest.«
Anna stieß gereizt die Luft aus. »Nein? Ich finde, du könntest wenigstens ehrlich sein. Glaubst du nicht, dass du es Liv schuldig bist, ehrlich zu sein, Mia?« Annas Lippen hatten zu zittern begonnen.
Weiß Liv es denn nicht schon längst?, dachte Mia.
Tränen brannten in ihrer Kehle und hinter ihren Augen, doch sie versuchte, sie mit aller Kraft zu unterdrücken. Eine Vielzahl verschiedener Emotionen wie überwältigende Trauer und Bedauern schienen in ihrem Kopf aufeinanderzuprallen, und sie fragte sich einmal mehr, wie es zwischen ihr und Anna so weit hatte kommen können. Wie es möglich war, dass der Verlust ihrer gemeinsamen Freundin eine solche Distanz zwischen ihnen geschaffen hatte. Hätte er sie einander nicht vielmehr näherbringen müssen?
Und dann, buchstäblich im Bruchteil einer Sekunde, klärten sich diese Gefühle, um eine einzige verblüffende Erkenntnis preiszugeben:
Es spielte keine Rolle, was andere sagten oder dachten. Sie liebte Fraser. Sie konnte es nicht ändern; sie liebte ihn mit jeder Faser ihres Herzens – und würde es sich nie verzeihen, falls aus dieser Nacht mit Emilia mehr als nur ein flüchtiges Abenteuer werden sollte.
Melody kam von der Toilette zurück.
»So«, sagte sie strahlend. »Was meint ihr, sollen wir noch eine Runde Tequila bestellen?«
Mia schüttelte den Kopf. »Nein, danke, ich glaube, ich gehe nach Hause«, antwortete sie, obwohl sie wusste, dass sie nichts dergleichen tun würde.
Tief im Innersten, in einem winzigen, noch nüchternenWinkel ihres Bewusstseins, war ihr klar, dass es keine gute Idee war, was sie da vorhatte. Im größten Teil ihres alkoholberauschten Hirns jedoch war es der beste Einfall, den sie je gehabt hatte. Aber vorher musste sie noch etwas anderes erledigen …
♥
In einer von Kerzen erhellten Ecke des Borough beugte Emilia sich über den Tisch und schaute Fraser tief in die Augen. »Weißt du was, Fraser?«, sagte sie und ließ das »r« auf eine Art und Weise rollen, die Fraser schon fast ein bisschen ängstigte. »Ich finde, du hast etwas Dunkles, Geheimnisvolles an dir.«
»Ach ja?« Tatsächlich fühlte er sich nur übersättigt und erschöpft. Erschöpft von all dieser Intensität und übersättigt von einem portugiesischen Essen mit Unmengen von Fleisch. Nie zuvor hatte er eine Frau dermaßen viel Fleisch essen
Weitere Kostenlose Bücher