Kleine Luegen erhalten die Liebe
werden nicht weinen oder uns von irgendetwas runterziehen lassen. Wir werden uns glücklich tanzen, okay?« Er lässt ein Lachen hören und ein weiteres hinreißendes Lächeln aufblitzen, das an hellen Sonnenschein erinnert. Wieder merkt Fraser, wie sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln verziehen – das er erstaunlicherweise nicht beherrschen kann.
»Ich sagte, OKAY?« Der Tanzlehrer wiegt sich noch immer in den Hüften, hält eine Hand hinter sein Ohr, und diesmal schafft sogar Fraser es, das Wort »okay« hervorzubringen.
»Gut. Cool, Freunde. Das ist es, was ich hören will.«
♥
Fünf Minuten später zerschlagen sich Frasers Hoffnungen, ein bisher unentdecktes Talent für Salsa zu besitzen, als offenkundig wird, dass er keinerlei natürliches Geschick dafür besitzt. Er ist ein miserabler Tänzer – so hundsmiserabel, dass es sogar für ihn eine Überraschung ist. Er ist musikalisch, er kann Gitarre spielen und dazu singen. Wie kommt es also, dass sich das nicht auf seine Glieder überträgt, die nur abgehackte und erschreckend ruckartige Bewegungen zustande bringen, als müsste er dringend zur Toilette oder litte unter einer neurologischen Funktionsstörung. Er sieht sich zufällig wieder im Spiegel, blinzelt angewidert und schaut in die andere Richtung, nur um erneut sein hochrotes Gesicht und seinen vor Anstrengung offen stehenden Mund zu sehen. DasGanze ist wie eine grauenvolle Übung in öffentlicher Erniedrigung.
Er blickt zu Karen hinüber. Sie ist ein Naturtalent, ganz ohne Frage. Ihre Hüften und der Rest ihres Körpers arbeiten in harmonischen, fließenden Bewegungen zusammen, was sie sexy und erstaunlich attraktiv aussehen lässt. Er wäre stolz auf sie, wenn er nicht zu sehr mit seiner eigenen Verbitterung beschäftigt wäre. Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie als Kind eine Art Dancing Queen gewesen war? Das gibt ihr einen sehr unfairen Vorteil, auch wenn das hier kein Wettbewerb oder dergleichen ist.
Fraser blickt im selben Augenblick wie sie auf, und sie wirft ihm ein schmallippiges Lächeln zu, das Fraser noch mehr deprimiert, weil er weiß, dass es ein mitleidiges Lächeln ist und es nichts Schlimmeres gibt als das, außer einem mitleidigen Kuss vielleicht.
Normalerweise würde es ihm nichts ausmachen, aber sie versuchen immerhin gerade erst, allein den »Salsa-Grundschritt« zu beherrschen. Wenn er nicht einmal das zustande brachte, wie sollte er dann hoffen, es mit einer Partnerin zu können?
Fraser ist kein guter Verlierer, und gewöhnlich verlässt ihn schnell der Mut, wenn er etwas nicht kann, besonders in Gegenwart anderer wie hier, wo seine Würde auf dem Spiel steht. Als seine Laune sinkt, erinnert er sich, dass er auch dazu neigt, mürrisch zu werden und ein Gesicht wie ein geprügelter Hund zu machen , wie Liv es nannte, und er will nicht, dass Karen ihn so sieht. Wie ein geprügelter Hund vor deiner langjährigen Freundin dazustehen, ist eine Sache, aber vor deiner neuen Eroberung eine völlig andere. Also ermahnt er sich, sich zusammenzureißen, und stellt sich vor, was Liv wohl sagen würde, wenn sie ihn jetzt sehen könnte: »Wisch diesen Ausdruck von deinem Gesicht, Fraser John Morgan! Er ist äußerst unschön.«
Es hilft auch nicht, dass die Frau neben ihm, die in einem einteiligen, hautengen Trikot erschienen ist, etwas vor sich hin murmelt und ihm seltsame Blicke zuwirft. Fraser ist sich sicher, dass sie seine Aufmerksamkeit zu gewinnen versucht, doch er ist fest entschlossen, sie zu ignorieren. Falls sie das nur tut, um ihm sagen zu können, dass er ihr den Stil vermasselt, kann sie eine Fliege machen, dieses unhöfliche Frauenzimmer! Fraser lässt sich nicht beirren und konzentriert sich so gut wie möglich auf Calvins Füße und sein aufmunterndes Lächeln. Aber dann stößt die Trikot-Frau ihn mit ihrem knochigen Ellbogen in die Seite.
»Au!« Verärgert wendet er sich ihr zu. »Was soll das?«
Sie zeigt auf den Boden und plappert in einer fremden Sprache los, doch er kann nicht einmal sagen, in welcher, weil die Musik zu laut ist.
Er sieht sie stirnrunzelnd an, zuckt mit den Schultern und versucht, sich wieder abzuwenden. Aber sie zeigt noch ärgerlicher auf den Boden und wirft aufgeregt die Hände in die Luft. Fraser fängt schon an zu glauben, sie müsse eine Macke haben, bis Calvin plötzlich mit einer Schaufel und einem Handfeger erscheint.
Und erst jetzt senkt Fraser den Blick und sieht, dass überall auf dem Boden Schmutzklümpchen liegen,
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