Kleine Luegen erhalten die Liebe
die wie Mini-Maulwurfshügel oder Tierkot aussehen. Alle möglichen schrecklichen, unaussprechlichen Dinge fallen Fraser ein, bis er merkt, dass es nur Erde ist. Erde, die seine schmutzigen Turnschuhe in den letzten fünfzehn Minuten hinterlassen haben: halb Hampstead Heath schön gleichmäßig auf dem makellosen Fußboden verteilt.
♥
Als sie gegen Mitte der Unterrichtsstunde eine Pause machen, hat Fraser seine schlechte Laune bekämpft, so gut er konnte, und ist ihr dennoch voll erlegen.
Nach dem peinlichen Vorfall mit seinen schmutzigen Turnschuhen (Calvin meinte, er solle sich nichts daraus machen, doch Fraser schämt sich trotzdem) machten sie paarweise weiter, wobei die Frauen die Partner wechselten, um eine Chance zu haben, mit jedem Mann zu tanzen. Die Frau im Trikot weigerte sich, ihn anzusehen, als er an der Reihe war, weil er ihr versehentlich auf den Zeh trat. Dabei konnte sie froh sein, dass er ihr nicht gleich auf beide Füße trampelte, die dumme Kuh! Es war eine kleine Erleichterung, als Karen mit ihm tanzte, die lieb und ermutigend war, aber alles in allem kommt er sich wie ein ausgemachter Loser vor.
»Mach dir nichts draus, Kumpel, es ist viel, viel schwerer, als es aussieht!«
Nun muss er auch noch die zusätzliche Demütigung hinnehmen, dass wildfremde Menschen Mitleid mit ihm haben. Und ihn »Kumpel« nennen.
Joshi – der hochgewachsene Mann mit der Brille, mit dem sich Karen sofort so gut verstanden hatte, kommt schon seit sechs Monaten und ist entsprechend gut –, doch auch nur wie jemand, der seit sechs Monaten die gleichen Schritte macht. Von natürlichem Geschick oder Flair konnte auch bei ihm keine Rede sein.
Vielleicht liegt es nur an seiner schlechten Laune, aber Fraser findet auch diesen Joshi ziemlich blöd. Er trägt eines dieser »Opa-Shirts« aus Käseleinen mit Perlmuttknöpfen und dazu ein geflochtenes Bastarmband, was alles auf einen längeren Aufenthalt in Dritte-Welt-Ländern hinweist, wo er wahrscheinlich für UNICEF oder eine ähnliche internationale Hilfsorganisation Schulen oder Brunnen baute. Auf jedenFall hat er sich bestimmt nicht auf Vollmondpartys zugedröhnt. Und wieso eigentlich »Joshi«? Was ist schlecht an Josh? Oder Joshua? Warum muss er sich wie ein indischer Guru nennen?
Außerdem hat er den größten Adamsapfel, den Fraser je gesehen hat und von dem er nicht den Blick abwenden kann, wenn dieser Joshi spricht, weil er auf und ab hüpft wie eine immense Walnuss in einem Lift.
Sie setzen sich nun alle, trinken auf Kosten des Hauses Liebfrauenmilch aus Plastikbechern und knabbern Salzgebäck, als wären sie auf einer Oberstufenparty.
»Calvin ist phänomenal, nicht wahr?«, bemerkt Joshi unnötigerweise. »Er ist ein ausgezeichneter Lehrer, finde ich, und besonders gut bei den schwächeren Schülern. Wenn du ihn beobachtest, wirst du feststellen, dass er niemals gönnerhaft ist – du verstehst doch sicher, was ich meine?«
Karen nickt und sieht Fraser an, als forderte sie ihn auf, etwas zu sagen. Und das tut er auch, wenn auch hauptsächlich, um Joshi zu bremsen, bevor er noch mehr gönnerhaft-ermutigendes Gelaber von sich geben kann.
»Tja, ähm … Josh, wie bist du dazu gekommen, Salsa-Unterricht zu nehmen?«
»Das ist eine interessante Frage, Kumpel.« Joshi schluckt die Salzstange, die er kaut, und Fraser starrt fasziniert auf seinen auf und nieder hüpfenden Adamsapfel. »Ich fliege nächsten Monat als freiwilliger Helfer bei einem dreimonatigen Projekt zur Anlage von Bewässerungssystemen nach Bolivien, und deshalb wollte ich vorher Salsa tanzen lernen. Ich halte es für sehr wichtig, sich mit der Kultur vertraut zu machen, um eine authentische Erfahrung mitzunehmen. Versteht ihr, was ich meine?«
»Donnerwetter!«, sagt Karen und schüttelt sichtlich beeindruckt den Kopf. »Ein Bewässerungssystem? In Bolivien? Wie faszinierend! Echt faszinierend, gell, Fraser?«
Der stürzt seinen Wein hinunter. »Wäre es dann nicht besser gewesen, Klempnerkurse zu besuchen?«
Die Frage ist harmlos genug, denkt er. Okay, vielleicht ein bisschen ironisch, aber auch lustig, und er kann nun mal nicht widerstehen.
Joshi starrt ihn mit ausdrucksloser Miene an und beißt in ein Stück Salzgebäck, während Karen ein nervöses Kichern von sich gibt.
»Ich glaube, was Fraser meint, ist, dass du vielleicht keine Zeit zum Salsa-Tanzen haben wirst, wenn du so viele andere, wichtigere Dinge zu tun hast.«
Das meinte ich ganz und gar nicht, denkt Fraser,
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