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Kleine Luegen erhalten die Liebe

Kleine Luegen erhalten die Liebe

Titel: Kleine Luegen erhalten die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katy Regan
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war diese eitle Anna geblieben? Mia will sie zurückhaben.
    »Liv würde es gefallen, was wir für sie tun«, bemerkt sie plötzlich und denkt: Nimm dich zusammen! Du darfst nicht zu sentimental werden. »Sie wäre sehr beeindruckt von uns Mädchen, glaube ich. Wirklich sehr beeindruckt.« Und dann, ohne einander etwas sagen zu müssen, legt Anna ihr Buch weg, und Melody steht auf, um sich zwischen die beiden zu stellen. Für ein paar Sekunden halten sie sich in feierlichem Schweigen an den Händen, bevor sie es schließlich nicht mehr aushalten und in schallendes Gelächter ausbrechen, ohne zu wissen, warum.
    ♥
    Den Nachmittag vertreiben sie sich auf angenehme Weise im Guggenheim-Museum, wo Anna Stunden damit verbringt, jedes einzelne Wort auf den Informationstafeln zu lesen. Melody und Mia hingegen verziehen sich irgendwann in den Souvenirshop, um Ansichtskarten zu kaufen und in den Kunstbänden zu schmökern.
    Wie schön!, denkt Mia. Wie lange ist es her, dass ich auch nur etwas annähernd Kulturelles getan habe? Wann habe ich zum letzten Mal einen Blick in ein Buch geworfen, das nicht wasserdicht ist oder Geräusche von sich gibt? Sie genießt das Gefühl; sie kann praktisch spüren, wie sich ihr Geist erweitert, als das Handy klingelt.
    Mia meldet sich, und das Einzige, was sie hört, ist Billy, der wie verrückt schreit.
    »Eduardo?« Ihr dreht sich der Magen um. »Eduardo? Bist du da? Was ist mit Billy?«
    Sie vernimmt ein knisterndes Geräusch, dann ein noch lauteres Geschrei, und ihr geht auf, dass Eduardo das Telefon an Billys Ohr gehalten hatte.
    Schnell verlässt sie den Museumsshop und Melody. »Eduardo! Antworte! Warum schreit Billy so?«
    Eine lange Pause entsteht, als Billy tief Luft holt, worauf ein ohrenbetäubendes Geheul folgen wird, wie Mia weiß.
    »Er vermisst seine Mama«, sagt Eduardo.
    Mia steht vor dem Guggenheim-Shop und spürt, wie das Blut ihr in die Wangen schießt.
    »Er vermisst seine Mami, nicht, Billy?«, fragt Eduardo.
    Mia seufzt. Sie ist wütend, weil eine fürchterliche Mischung aus Schuldbewusstsein, Zorn und Sorge sie erfasst. »Das ist nicht fair, Eduardo. Was soll ich hier dagegen tun?«
    »Keine Ahnung«, antwortet er. »Aber das geht schon seit Stunden so. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte.«
    »Seit Stunden ?«, ruft Mia alarmiert.
    Das Weinen hört nicht auf, und sie verspürt ein scharfes Ziehen im Herzen, ein überwältigendes Bedürfnis, die zarte Haut ihres Sohnes zu berühren, ihn an sich zu drücken und ihn zu riechen.
    Ratlos reibt sie sich die Stirn. »Hat er seinen Mittagsschlaf gehabt?«, fragt sie. »Er ist müde; dieses Weinen ist ein müdes. Oder vielleicht ist er krank? Hast du seine Stirn berührt? Befühl seine Stirn! Eduardo, ist sie heiß?«
    Mia war immer stolz darauf gewesen, keine überfürsorgliche Mutter zu sein, aber sie war auch noch nie Hunderte von Kilometern entfernt gewesen und außerstande, Billy zu helfen.
    Der Kleine heult und heult. Er ist hysterisch, völlig außer sich, und Mia muss das Telefon für einen Moment vom Ohr wegnehmen, weil sie es nicht mehr ertragen kann, ihn so weinen zu hören.
    »Ich muss jetzt Schluss machen«, vernimmt sie Eduardos schmollende Stimme über den Lärm hinweg, als sie das Handy wieder ans Ohr hält. »Ich werde das schon irgendwie hinkriegen – viel Spaß noch, ja?«
    Mia sagt: »Okay …« Und dann: »Gib ihn mir, Eduardo, lass mich mit Billy sprechen!«
    Das Weinen lässt ein wenig nach, als Eduardo seinem Sohn das Telefon ans Ohr hält.
    »Hey, Billy, Mami hat dich lieb, ja?«, ruft sie. Hat sie ihm das je gesagt? Ihrem Baby? Hat sie es je laut gesagt? »Mummy hat dich ganz doll lieb, und ich bin bald wieder bei dir, hörst du?« Aber Eduardo hat schon aufgelegt.
    »Alles in Ordnung?«, fragt Melody, die aus dem Laden kommt, und Mia wendet das Gesicht ab und kämpft gegen den Kloß in ihrer Kehle an.
    »Ja, ja, alles in Ordnung«, antwortet sie mit erstickterStimme. »Doch ich brauche einen Drink, glaube ich. Sollen wir Anna suchen gehen?«
    ♥
    Gemächlich spazieren die drei durch kopfsteingepflasterte Gassen, die auf malerische Plätze und Straßen voller Designerläden führen, zum Corte del Arsenale, wo sie draußen in der untergehenden Sonne ihr Abendessen einnehmen. Dabei sitzen sie zwei gigantischen steinernen Löwen aus Narnia gegenüber.
    Und weil sie alte Freunde sind, sprechen sie nicht über das große Ganze oder darüber, wohin ihr Leben führt (obwohl dies vielleicht genau

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