Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
überlegte, ob es nicht klüger sei, das Lokal zu wechseln, aber das konnte ganz falsch sein, denn dann würde jeder auf die Variante reicher Unternehmer mit kleiner Freundin schwören. Man würde sich das Gesicht des Mädchens einprägen > der Mann war uninteressant hier < und wer weiß, ob es nicht irgendwann doch jemand erkennen würde. Gerade in solchen Cafés suchen Männer, die Bordelle meiden, kurze Abenteuer.
Alle starrten sie an. Man war gespannt, wo sie sich setzten würde. Es war falsch gewesen, ihn hierher zu bestellen. So war das ja auch gar nicht gedacht gewesen, aber ihr Mann hatte sie schließlich gebeten, vorerst nicht Friedangers Werft zu besuchen. Sie hasste rasche Entscheidungen, weil die naturgemäß unüberlegt sind, aber es war keine Zeit zu verlieren, Friedanger hoffte auf schnelle Hilfe.
Je länger Julia über ihn und sich und das Café nachdachte, umso sicherer wurde sie: Die Biertrinker starrten sie nicht anders an als jede andere Frau auch.
Als sie neben Friedanger stand, lächelte sie über die vier Tassen Kaffee, die er bestellt hatte. Dieser Tisch galt als besetzt. Das sah jeder.
»Gestatten Sie?«, fragte sie ihn und wartete eine Antwort gar nicht ab. Sie setzte sich, prüfte mit zwei Fingern die Temperatur der Tasse, die vor ihr stand. Sie war kalt.
»Sie sind schon lange hier? Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht warten lassen.«
»Nein, nein«, beeilte er sich zu widersprechen, »ich bin viel zu früh gekommen, ich bestelle sofort frischen Kaffee für Sie oder wünschen Sie etwas anders«?
Julia schüttelte den Kopf und sagte: »Nun ja, bitte bestellen Sie frischen Kaffee. Ich schlage vor, Sie erklären jetzt erst einmal ganz kurz, worum es ihnen geht und was Sie beabsichtigen. Es handelt sich um Großmann & Sichel. Vermute ich da richtig?«
Bevor sie den Namen der Firma aussprach, beugte sie sich vor und dämpfte ihre Stimme.
Julia kannte Friedangers Sorgen. Selbstverständlich hatte sie sich vorher informiert. Sein Groll kam ihr gerade recht, Großmann & Sichel so ganz nebenbei einen gehörigen Dämpfer zu verpassen. Er sollte diesen Schurken richtig wehtun.
»Aber was haben Sie mit dieser Firma zu tun?«
»Später, Herr Friedanger, später. Wir sollten jetzt ohne Umschweife zu Ihrem Problem kommen. Und um uns vor neugierigen Ohren zu schützen, werden wir diese Herren nur noch als >Firma< bezeichnen. Also, worum geht es eigentlich?«
»Die Firma hatte mir eine Jacht abgekauft. Diese bestimmte Jacht. Dagegen war nichts einzuwenden gewesen. Ich baue Schiffe, um sie zu verkaufen. Und wenn die Konkurrenz eines haben möchte, kann ich ihr das nicht verweigern. Das wäre auch zu albern, denn sie würde es dann eben von einem Strohmann kaufen lassen. Aber am besten, ich lese Ihnen mal ein Stück aus dem Testbericht der Zeitschrift >Jacht< vor, damit Sie sich ein Bild machen können, worum es geht und warum diese Firma ausgerechnet dieses Schiff nachgebaut hat.«
Er räusperte sich, nahm die Zeitschrift aus seinem Aktenkoffer heraus, schlug sie am Buchzeichen auf und las: »Das Schiff ist 56 Fuß lang. Ein bulliger 140 PS Yanmar-Diesel grummelt auf Knopfdruck leise vor sich hin. Ebenfalls auf Knopfdruck beginnt das Bugstrahlruder zu arbeiten, und schon kommt der Bug von der Pier frei. Bereits ab zwei Knoten Fahrt gehorcht das Schiff dem Ruder. Auf Marschfahrt macht es bei 2800 Umdrehungen pro Minute, gemessen an der Kurbelwelle, 8,8 Knoten Speed. Im Salon hört man den Diesel mit gerade mal 68 Dezibel. Das ist Mercedes-S-Klasse-Niveau.«
An dieser Stelle unterbrach er sich und schaute Frau Getti an. Doch sie verzog keine Miene. Der 56 Fuß lange Kahn und sein mit Mercedes-S-Klasse-Niveau vor sich hin grummelnder Diesel, schienen sie wenig zu beeindrucken. Die Mercedes-S-Klasse war vermutlich die Einzige, in die sie jemals freiwillig einen Fuß setzen würde, es sei denn, sie war gezwungen, den VW zu nehmen, oder sie war mit Sandras Renault in geheimer Mission unterwegs. Mercedes-S war normal. Vielleicht hätten sie ihre lackschwarzen Wimpern bei dem Namen Rolls-Royce ein wenig angehoben.
Friedanger räusperte sich noch einmal und las leicht enttäuscht weiter: »Per Knopfdruck kommt das Segel aus dem Mast. Auch das Unterliek wird per Knopfdruck vom Steuerstand aus durchgeholt. Es gibt massenhaft Hydraulik an Bord. Der 12-kW-Generator speist die gesamte Technik. Ein Schnellreffsystem ist selbstverständlich vorhanden. Wohin Sie auch blicken, Sie sehen nur edle Hölzer.
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