Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Jeder erdenkliche Luxus ist vorhanden. Es ist das ideale Schiff für Einhandsegler. Mit vier Knöpfen lässt es sich ohne Muskelkraft bequem auf Kurs halten. Und wenn der Kapitän sich im Salon aufwärmen möchte, lösen ihn Autopilot und Kollissionsschutzradar am Steuer ab.«
Friedanger war ganz begeistert von seinem Schiff. Er legte die Zeitschrift beiseite und nahm einen Schluck Kaffee. Diesmal sah er sie nicht an. Vielleicht befürchtete er sogar, sie gelangweilt zu haben. Mit düsterer Miene fuhr er fort: »Und dann hat diese Firma die Jacht im Schleppkanal des Instituts für Schiffbau testen lassen. Als die Überlegenheit meiner Konstruktion erwiesen war, hatte dieser Groß ... sie sofort in seiner Werft nachgebaut. Seine Kopien, er hat gleich drei auf Kiel gelegt, stimmen bis auf ein paar Kleinigkeiten mit meinem Original überein. Aber die Verarbeitung ist längst nicht so gut wie bei mir. An einigen versteckten Stellen ist sie sogar mangelhaft.«
Friedanger erzählte ihr noch, wie es danach weiterging. Er hatte Großmann & Sichel wegen geistigen Diebstahls verklagt und verloren, denn Großmann & Sichel hatte sich von der Kanzlei Dr. Getti vertreten lassen. Getti konnte fünf Unterschiede gegenüber der Konstruktion Friedangers nachweisen. Das Gericht glaubte ihm, diese Unterschiede seien bedeutend, ja sogar wesentlich, worauf der Vorwurf des Diebstahls nicht mehr zu halten gewesen war. Der Prozess hatte Friedangers letzte Rücklagen aufgezehrt.
»Und um mich restlos zu zerstören, will er ein verkleinertes Modell der Segel anfertigen und im Windkanal eines Flugzeugbauers oder einer technischen Hochschule durchmessen lassen. Das hat dieser unverschämte Kerl mir lachend gesagt. Der fühlt sich völlig sicher mit seinem Gerichtsurteil in der Tasche. Die Jacht soll schneller werden. Vielleicht wird sie dann größere Segel erhalten, die anders geschnitten sind, ich weiß es nicht. All das wird auf Kosten der Gutmütigkeit und Sicherheit des Schiffes gehen. Er will es in eine reine Rennyacht verwandeln. Wenn ihm das gelingt, tritt er mit meinem Schiff und seinen besseren Segeln gegen mich an, gewinnt jeden Wettbewerb, und ich bin endgültig draußen. Alle meine Kunden werden zu dieser Firma wechseln.«
Julia setzte die Kaffeetasse ab und fragte: »Und was soll nun geschehen?«
Friedanger zuckte hilflos die Schultern und dann sagte er: »Es bleibt mir nichts anderes übrig: Ich muss in Berufung gehen. Ich habe zwar keine Ahnung, wovon ich einen Anwalt bezahlen soll, aber was soll ich sonst tun?«
Er ballte die Fäuste. Seine Fingerknöchel wurden weiß. Julia musste trotz seiner verzweifelten Entschlossenheit lächeln. Sie lehnte sich zurück, schüttelte kaum merklich den Kopf und begann ganz behutsam im Plauderton: »Die Firma wird sich wieder an meinen Mann wenden. Sie hatte inzwischen genügend Zeit, eigene Zeichnungen anzufertigen, dann baut sie die Pantry noch ein bisschen um, und dann werden Sie wieder verlieren und noch mehr bezahlen müssen.«
Er sah sie ratlos an, und seine Lippen begannen zu beben.
»Sie haben auf dem Wege geltenden Rechts verloren, Herr Friedanger. Folglich können wir auf diesem Wege nicht gewinnen.«
Sie sagte >wir<, was Friedanger trotz seiner Nervosität, trotz seines völlig nach innen gerichteten Denkens und Fühlens sehr wohl bemerkte. Er blickte ihr ganz gespannt in die Augen.
»Es ist seltsam, wie korrekt wir Deutschen sind«, fuhr Julia fort, »wir sind umständlich und unbeholfen, aber immer korrekt. Es muss ganz sauber zugehen, koste es, was es wolle. Die Folgen kümmern uns kein bisschen. Wir setzen nichts um eines Vorteils willen durch, nein, wir kämpfen immer nur um das Prinzip, wir edlen Deutschen. Wenn wir Atommüll transportieren wollen, dann packen wir das Zeug in so skurrile Fässer, die selbst ein Blinder aus Meilen Entfernung sicher erkennt. Dann kündigen wir den Transport wochenlang vorher an, und alle Zeitungen plaudern den Termin gleich auf dem Titel aus. Doch damit nicht genug: Sie malen auch noch die Route auf. Dann schicken wir 30000 Polizisten los, um den Transport zu bewachen und diese Irren zu retten, die sich an die Schienen gekettet haben. Und so brauchen wir für 300 Kilometer geschlagene drei Wochen. Die Unsummen, die das kostet, holt der Finanzminister oder ein beliebiger anderer mit weinerlicher Stimme ganz bequem über eine Ökosteuer rein, denn wo Öko draufsteht, muss ja schließlich auch Öko drin sein; was bestimmt Herr Kaiser
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