Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
recherchieren, das weder Ihres noch meines ist. Aber gerade Männer, die in ihren Firmen stets korrekt auftreten, Männer wie Sie zum Beispiel, die zu Hause eine vielleicht nicht mehr ganz junge, aber sehr elegante Gattin vorfinden, die auch noch ständig herummäkelt, halten plötzlich die Kultur für verlogen und suchen die Wahrheit im Dreck. Dort werden sie mit den einfachsten Tricks über den Tisch gezogen, weil sie sich gar nicht fragen, ob diese andere Welt genau so verworfen ist wie ihre, nur nicht so gut gekleidet. Wenn ich dann die Betrüger finden soll, darf ich nicht auffallen. Deshalb mein Aufzug.«
Nachdem Hellbach in einem Nebenraum verschwunden war, hatte Großmann Zeit, das Büro genauer zu betrachten. Vor allem das Gemälde zog seinen Blick an. Es mochte etwa um 1910 entstanden sein. Es zeigte eine schlanke Frau mit einer perlenbesetzten Kappe auf dem blauschwarzen Haar, mit Ohrgehängen aus Perlen und mit vielen Reifen und Ketten an den nackten Armen und Handgelenken. Sie stützte ihre Hände auf der Hüfte ab und betonte so ihre schmale Taille. Die braunen Augen hielt sie fast geschlossen, der Mund war leicht geöffnet; sie schien nachzudenken. Bekleidet war sie mit einem beigefarbenen Tuch ohne jeden Zierrat. Es sah aus, als hätte sie sich eine Stoffbahn straff um den Leib geschlungen. Ihre Füße verschwanden völlig unter dem Tuch, das ihre Fesseln fest einschnürte. Bei dem Versuch, einen Schritt zu wagen, hätte sie hinstürzen müssen. Der Hintergrund wirkte gefährlich düster, er sah aus wie ein stürmischer Himmel kurz vor einem Gewitter. Der unheimliche Hintergrund und die gefesselten Füße der Dame sollten gewiss etwas ausdrücken. Aber was? Der Maler hatte das Gemälde mit H-21 signiert. War das denn ein Signum? Das Bild war zweifellos kein bedeutendes Kunstwerk, aber es fesselte ihn doch.
Als Hellbach hereinkam, sah er seinen Gast vor dem Bild stehen. Er trat neben ihn und fragte: »Kennen Sie diese Dame?«
Großmann schüttelte den Kopf.
»Das ist die indische Tempeltänzerin Mata Hari. Aber das ist nicht ihr richtiger Name. Sie ist Holländerin, geboren als Margaretha Geertruida Zelle. Die Franzosen haben sie am 15. Oktober 1917 als die deutsche Spionin H-21 erschossen.«
»Womit wir beim Thema wären«, sagte Großmann leise und gedehnt. Er war immer noch in den Anblick der grazilen Tänzerin versunken. Hellbach runzelte die Stirn. Spionage hatte er bisher nicht betrieben. Und Mata Haris Schicksal reizte ihn auch nicht besonders, es mal damit zu versuchen.
Sie setzten sich wieder an den Glastisch. Hellbach schwieg. Er hatte schon zweimal gefragt, was er für Großmann tun sollte. Großmann nahm einen kleinen Schluck und begann: »Jemand will in meiner Firma herumspionieren. Es gibt deutliche Hinweise.«
Hellbach hatte sich zurückgebeugt, die Arme über die Sessellehne gelegt und die Beine übereinandergeschlagen. Er sah Großmann in die Augen, zeigte aber keinerlei Neugier.
»Jemand versucht, durch einen Hackerangriff in meine Computer einzudringen.«
»Das verhindert Ihre Firewall, nehme ich doch an.«
Großmann nickte.
»Dann ist doch alles in Ordnung. Oder gibt es da noch etwas?«
»Ich dachte mir das anders. Ich beauftrage Sie herauszufinden, wer mich ausspionieren will. Und dann reden wir nur noch über die Dauer ihrer Recherche und über die Kosten.«
»Worauf ist der Hacker denn so scharf?«
Großmann schwieg. Er hatte sich das alles ganz anders vorgestellt. Er war der Auftraggeber, also hatte er zu bestimmen, was getan werden sollte. Stattdessen stellte der Schnüffler Fragen. Großmann wollte seinen Verdacht um keinen Preis aussprechen. Es konnte nur Friedanger sein. Daran bestand für ihn keinerlei Zweifel. Aber wenn er diesen Namen hier aussprach, kramte die Detektei womöglich den Prozess aus. Und daran war ihm gar nicht gelegen.
»Ich nehme an, ein ehemaliger Mitarbeiter, den ich entlassen musste, will sich rächen«, sagte er.
»Und was sucht dieser ehemalige Mitarbeiter?«
»Weiß nicht. Konstruktionszeichnungen vielleicht.«
Hellbach blieb geduldig. Zeichnungen also.
»Sie sagen mir sicher, wie der ehemalige Mitarbeiter heißt und als was Sie ihn beschäftigt hatten.«
Großmann taute nun doch langsam auf. Er hielt es für einen guten Einfall, Krefeld zu verdächtigen. Wenn Hellbach dann von allein auf Friedanger kommen sollte, konnte er den völlig Überraschten spielen.
»Und wo bewahren Sie das auf, was dieser Krefeld sucht?«
Großmann
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