Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
unterbrach sich, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er dachte nach, was er seinem Sohn vorschlagen könnte. Es dauerte ein Weilchen, obwohl er das Thema seit Tagen genau im Kopf hatte.
»Optimierung von Segeln.«
Heiko hob unentschlossen die Schultern und sagte: »Klingt ganz gut.«
»Damit aus einem >ganz gut< klingenden Thema eine ganz gut geschriebene Arbeit wird, ist aber ein bisschen Hingabe nötig. Ich hatte nicht auf Begeisterung gehofft, aber doch auf etwas mehr als nur ein Schulterzucken.«
»Ja Vater, ich hatte an ein durchaus ähnliches Thema gedacht, nur: Es geht doch um diese Jacht von Friedanger.«
»Was redest du? Wir heißen Jachtwerft Großmann & Sichel, mit den Kähnen von Friedanger haben wir nichts zu tun!«
»Du hast den Prozess gewonnen, jawohl, aber es ist und bleibt die Jacht von Friedanger, auch wenn wir jetzt eigene Zeichnungen davon haben und dieser Kahn, wie du ihn nennst, nirgendwo mehr zu finden ist. Und außerdem geht es dir ja doch nicht um eine Optimierung, sondern um eine Maximierung. Du willst gegen Friedanger mit einem Regattasegel antreten. Zweimal das gleiche Schiff, aber während Friedanger auf Sicherheit baut, ein gutmütiges Schiff vorstellt, willst du an ihm vorbeiziehen und Medaillen abräumen.«
Der Vater lachte: »Das war ja eine völlig unerwartete Mitteilungseruption. Aber du hast es genau erfasst. So schlägt man seine Konkurrenz. Ob ein Schiff sicher ist, kann selbst ein Fachmann erst nach genauer Prüfung feststellen, aber welches Schiff schneller ist, das sieht jeder Dummkopf.«
»Du willst unsere Jachten also an Dummköpfe verkaufen?«
»Das habe ich zwar nicht gesagt, aber meine Kunden müssen keine Intelligenzbestien sein. Das Einzige, was sie brauchen, ist ein gut dotiertes Bankkonto.«
Er ging zu seinem Schreibtisch, drückte auf einen Knopf und bat seine Sekretärin, etwas zu trinken hereinzubringen.
Vater Markus und Sohn Heiko rührten schweigend in ihren Kaffeetassen. Sie saßen sich gegenüber, sahen sich aber nicht an. Nach einer Weile sagte Heiko, ohne aufzublicken, leise und langsam: »Es war nicht recht, Friedangers Jacht zu kopieren. Das hat mit Wettbewerb und freier Marktwirtschaft nichts mehr zu tun.«
Der Vater rührte weiter in seinem Kaffee. Er nahm sich Zeit mit seiner Antwort: »Was du als Diebstahl ansiehst, ist nichts anderes als Informationsbeschaffung. Wir haben Friedanger eine Jacht abgekauft, genau angesehen und einige Maße übernommen. Was glaubst du, warum in der Autoindustrie über jede winzige Änderung eifersüchtig gewacht wird? Weil überall Industriespione lauern. Fortschritt wird heute kaum noch im eigenen Unternehmen erfunden, er wird bei der Konkurrenz heimlich fotografiert.«
»Einige Maße von Friedanger übernommen? Du bist gut! Wir haben einige nebensächliche Maße nicht übernommen. Wasserhähne zum Beispiel ...«
Sein Vater wehrte ab und unterbrach seinen Sohn: »Das Geschäft ist hart. Sehr hart. Die gemütlichen Zeiten deines Großvaters sind vorbei. Friedanger oder wir: Einer muss auf der Strecke bleiben. Und das will, verdammt noch mal, nicht ich sein! Und du solltest an dich und an deine Zukunft denken. Aber was rede ich da, Zukunft ist für dich etwas, was erst in tausend Jahren anfängt.«
»Kennst du kein Erbarmen? Fühlst du kein Mitleid?«
»Doch. Mit mir.«
Heiko war aufgesprungen, hatte die Hände in die Taschen gesteckt und begonnen, im Zimmer umherzuwandern. Vor dem Aquarium blieb er stehen und sagte: »Du bringst es noch nicht einmal fertig, diese armseligen Schnecken ausreichend zu füttern. Die sehen alle blass und unterernährt aus.«
»Gut, du fängst davon an. Komm, setz dich wieder, ich will dir die Geschichte dieses Aquariums erzählen. Komm, komm, na komm schon!«
Heiko setzte sich tatsächlich, und sein Vater begann: »Ich hatte das Aquarium gerade eingerichtet und mit Pflanzen bestückt. Fische wollte ich nicht haben. Ich finde, alle Aquarien sind zu klein für Fische. Nach ein paar Tagen sah ich ein paar Schnecken an den Scheiben sitzen und dachte, die paar werden ausreichend Nahrung finden. Was auch stimmte, denn sie wuchsen zu großen, kräftigen Exemplaren heran und sahen richtig rot aus. Die Temperatur blieb konstant, Beleuchtung regelte ein Zeitschalter und jeden Freitag tauschte ich acht Liter Wasser aus. Ich will sagen, die Umweltbedingungen der Schnecken blieben konstant. Nach einem Jahr hatten die Schnecken sich auf etwa achtzig Stück vermehrt. So viele fanden
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