Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
außer einem ominösen Hinweis auf einen Geier, der sich als Redensart entpuppt hatte, ebenfalls nichts gebracht. Julia war wütend.
Julia war gerade dabei, sich zum hundertsten Mal vorzunehmen, nie wieder einen Auftrag anzunehmen, und sei er auch noch so lukrativ, und erst recht gar nie wieder an Rache zu denken. Etwas sagte ihr, sie sollte jetzt aufhören, genau jetzt. Es war ein Wunder, wieso sie bei keiner ihrer zahlreichen Unternehmungen aufgeflogen war. Sie hatte vielen Firmen geholfen, aber mindestens ebenso vielen geschadet. Und jetzt ging es ihr nur darum, Großmann zu bestrafen, weil er nicht gezahlt hatte. War Rache ein Motiv für sie? War Rache nicht überhaupt ein primitives Motiv, Relikt brüchiger Ehrbegriffe? Was bedeutete Ehre heute? Wer kannte den Begriff noch? Bei einer Umfrage unter Jugendlichen würden etwa vierzig Prozent, schätzte sie, sagen, Ehre, das ist das, was ihre Gang zusammenhielt.
Warum hatte sie sich wegen dieser Million Euro so geärgert? Sollte sie nicht besser zu Großmann gehen und ihm, der unter dem Kleine-Mann-Syndrom litt, mit Goethes Faust sagen: >Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!<
Sie sollte sich nur noch auf die Schönheiten des Lebens besinnen und genau zu dem Menschen werden, den sie bisher nur gespielt hatte. Sie wusste wirklich nicht mehr, warum sie sich auf dieses fragwürdige Geschäft eingelassen hatte. Am Anfang hatte es so ausgesehen, als könnte sie Großmann mit einem Schnipsen ihres kleinen Fingers einen Denkzettel verpassen, und Friedanger so ganz nebenbei wieder auf die Beine helfen. Lächelnd ein bisschen Rache üben. Mehr sollte es nicht sein. Ein paar Tage Spaß, Erholung von den Gefahren ihrer großen Aufträge. Doch dann war alles ganz anders gekommen.
Julia wollte sich gerade schwören, ihr Geschäft aufzugeben, als ihr Funkgerät sich meldete. Wolfram Krefeld teilte ihr ziemlich niedergeschlagen mit, Großmann habe noch einen Weg verschüttet, denn Leo Thorn habe nun keinen Zugang mehr zu dem Rechner in Großmanns Villa. Großmann hatte den Computer in seiner Villa einfach vom Internet abgekoppelt.
»Na, das ist doch prima!«, rief sie, »ich verstehe deine schlechte Laune gar nicht. Genau das hätte Großmann nicht tun sollen. Jetzt wissen wir, wo das Geheimnis versteckt ist.«
Krefeld antwortete nicht gleich. Aus Julias Empfänger rauschte es. Krefeld hatte die Sendetaste losgelassen.
»Bist du noch dran?«, wollte Julia wissen.
»Ja, ja, ich höre. Du meinst also, wir sollten uns auf die Villa konzentrieren?«
»Ganz genau. Ich überlege mir, was wir tun können. So, das ist das eine. Und wie kommst du mit der Manipulation der Kennlinien voran?«
»Ja, das geht schon ganz gut.«
»Dann mach` weiter, ich melde mich wieder.«
Die Zukunft sah auf einmal wieder hell und freundlich aus. Vergessen waren alle Vorwürfe, die sie sich selbst gemacht hatte, vergessen der Vorsatz, nur noch das anschmiegsame Püppchen zu sein, das ihr lieber Armin so sehr liebte. Sie sah auf die Uhr. Es war noch weit bis Mittag. Großmann war jetzt sicher nicht zu Hause. Sie suchte die Rufnummer von Großmanns Villa heraus und rief an. Eine Frauenstimme meldete sich. Julia verlangte in geschäftsmäßigem Ton: »Ich brauche eine Haushaltshilfe, eine Putzfrau, möglichst bald. Was haben sie zu bieten?«
Die Frauenstimme, keine sehr junge, also vermutlich Frau Großmann, antwortete zaghaft, ein bisschen verwirrt: »Oh, das kann ich zwar verstehen, aber weshalb suchen Sie ihre Putzfrau ausgerechnet bei mir?«
»Ja, was soll ich dazu sagen? Ich meine, bei wem sonst sollte ich eine Haushaltshilfe anfordern, als bei ... Sind Sie nicht Clean & Fix GmbH?«
»Oh, nein«, lachte Frau Großmann, und dieses Lachen klang ganz locker und frei. »Hier ist nicht Clean & Co., oder wie Sie das genannt haben, hier ist ein ganz privater Haushalt.«
»Oh, es tut mir leid«, sagte Julia mit aufrichtigem Bedauern. »Es tut mir schrecklich leid, da muss ich mich verwählt haben.«
»Ach, das macht doch gar nichts. Bleiben Sie dran, vielleicht kann ich Ihnen sogar helfen. Eine Reinigungskraft brauchen Sie?«
»Ja, tatsächlich und möglichst bald.«
»Na, das ist doch rasch erledigt. Ich habe eine, die können Sie auch haben, aber nicht montags und freitags, da putzt sie bei mir. Wenn sie an den anderen Tagen zu Ihnen kommen kann, dann können wir uns rasch einigen.«
Sie konnten sich rasch einigen. Frau Großmann nannte die Rufnummer der Haushaltshilfe, und dann
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