Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
etwa zwanzig Minuten. Wenn sie in der Mittagspause eindringen würden, hätten sie vielleicht noch ein paar Minuten länger Zeit.
»Das reicht«, sagte Julia, »mehr brauchen wir nicht. Wir kleben in jedem Zimmer unsere Minispione unter die Tische. Ein paar Mikrokameras haben wir ja bereits in Bücher eingebaut. Die stellen wir einfach mit in die Regale, und ein paar andere kleben wir hinter Bilder, die an der Wand hängen. Ein kleines Loch von einem Millimeter Durchmesser in der Leinwand, damit die Kameras hindurchsehen können, wird Herr Großmann leider hinnehmen müssen. Aber ich denke, er wird es gar nicht bemerken. Danach verschwinden wir sofort wieder. Wir werden leider ziemlich geduldig sein müssen und unsere Minispione jeden Tag abhören, aber es kann schließlich nicht ewig dauern, bis einer uns verrät, wo Heiko diese verdammte CD versteckt hat.«
Am Dienstag fuhren Julia und Wolfram mit einem klapprigen VW zu Großmanns Villa und stellten ihn am Rande des Waldes ab, der an Großmanns Grundstück grenzte. Julia öffnete die Eingangstür mit dem Nachschlüssel und trennte den Telefonanschluss. Dann schaute sie auf ihre Armbanduhr. Es war sieben Minuten nach Mittag. Sie stieg sofort in die obere Etage, während Wolfram unten blieb. Nach exakt ausgearbeiteten Kriterien versteckten sie Minispione und Minikameras. Besonders bei den Kameras war es wichtig, sich möglichst genau ihr Blickfeld vorzustellen. Julia öffnete jede Tür, sah kurz hinein und fand nichts, was die Installation von Geräten gelohnt hätte. Zuletzt betrat das Arbeitszimmer von Sohn Heiko. Skizzen und rasch hingeworfene Notizen zu seiner Diplomarbeit bedeckten den Schreibtisch. Julia schob die Blätter auseinander, aber es waren zu viele, um sie gründlich durchzusehen. Außerdem verstand sie den Inhalt der rein technischen und mathematischen Zeichen und Symbole nicht. Es wäre aber auch ein Wunder gewesen, hätte sich hier ein Hinweis auf die gesuchte CD gefunden. In einem Bücherregel standen 13 CD-Boxen. Sie zog eine heraus, öffnete sie und zählte: 24 Stück. Auf jeder dieser über 300 CDs konnte die gesuchte Datei gespeichert sein.
Sie setzte sich an den Schreibtisch, griff nach einer der Boxen, entnahm eine CD und schob sie in das Laufwerk des Computers. Dabei überlegte sie, wo die Kamera versteckt werden müsste, damit sie diesen Vorgang genau beobachten konnte. Sie schaute nach links und bemerkte die Funkuhr mit Thermometer an der Wand. Julia nickte zufrieden: Es war genau das Modell, das Wolfram beschrieben hatte. Er hatte sie zuerst gesehen, als er den Computer, vor dem Julia jetzt saß, aufgerüstet hatte. Julia nahm die Uhr von der Wand und tauschte sie gegen das gleiche Modell, das sie mitgebracht hatte. Es unterschied sich nur durch eine versteckt eingebaute Minikamera.
Julia erhob sich, sah sich noch einmal um und ging nach unten. Hier oben hatte sie nichts mehr zu tun. Wolfram war auch fertig mit seiner Arbeit. Das Wohnzimmer wollten sie zusammen inspizieren. Wolfram öffnete die Tür und trat beiseite. Julia ging einen Schritt in das Zimmer hinein und wollte sich gerade nach Wolfram umsehen, als ein Papagei zu schreien begann. Julia vergaß jede Vorsicht, klatschte in die Hände und rief: »Der Geier!« Sie trat an den Käfig heran und griff hinein. Der >Geier< begann sofort, auf ihre Hand einzuhacken. Julia zuckte zurück, stieß dann mit der Faust wieder hinein und scharrte mit der anderen Hand den ziemlich hoch aufgeschütteten Sand beiseite. Sie zog die CD, die in einer Hülle steckte, heraus und reichte sie Wolfram, der seinen Laptop hochgefahren hatte. In wenigen Sekunden waren die falschen Kennlinien auf der CD. Und schon lag sie wieder sauber verpackt unter der dicken Sandschicht begraben.
Sie verzichteten auf das Montieren der Kameras, aber einige Wanzen versteckten sie auch hier noch. Vier Minuten blieben ihnen noch, bis der Störungstrupp auftauchen würde. Sie verließen die Villa, nicht ohne das Telefon wieder angeschlossen zu haben, und gingen zu Fuß zur nächsten U-Bahn-Station. Der VW blieb zurück. Er war nirgendwo zugelassen, seine Kennzeichen gefälscht, Fahrgestell- und Motornummer unleserlich. Unter einer Decke auf der Beifahrerseite wartete ein Tonbandgerät auf das Signal einer Wanze. Gebraucht wurde das Tonband nun nicht mehr; sie besaßen jetzt zwar noch keine Messergebnisse vom Windkanal, aber Heiko Großmann würde spätestens ab morgen fleißig mit falschen Kennlinien rechnen.
Schon auf
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