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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schuetze
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dass du mit deinem Schnupfen den Champagner nicht schmecken kannst.«
    Andreas schnappt zurück: »Und bedauerlich für dich, dass du zu deinen Blutdruckmitteln keinen Alkohol trinken darfst!« Er verschwindet wieder röchelnd unter dem Handtuch.
    Simon blickt von Papa zu Andreas und zurück und schließlich zu mir. Ich lehne regungslos an der Anrichte und habe das Gefühl, eine Fremde in meinem eigenen Leben zu sein. Das kann doch nicht ich sein? Diese vom Kochen und Saubermachen verschwitzte Frau, die in ihrer Küche drei Psychopathen bewirtet? Wo ist nur Lilli, die die Männer mit ihrem trockenen Humor in die Schranken gewiesen hätte? Zu meiner Enttäuschung und Ratlosigkeit addieren sich Traurigkeit und ein Gefühl von Verlorenheit. All das ballt sich zu einem dicken Kloß in meinem Hals zusammen, den ich nicht schlucken kann.
    Andreas linst unter dem Handtuch hervor. Nach einem Blick auf mein Gesicht legt er das Handtuch weg, steht auf und nähert sich mir mit rotem Gesicht. »Nun sieh bloß mal, was du angerichtet hast!«, blafft er Papa an. »Franziska, fang jetzt bitte nicht an zu weinen!« Er will seinen Arm um mich legen. Doch Simon kommt ihm zuvor und drückt Andreas beiseite. »Wenn sie weint, dann vor allem, weil du hier bist!«
    Sie fangen an zu streiten. Papa quittiert diesen Hahnenkampf mit einem zufriedenen Lachen.
    Das gibt mir den Rest. »Was denkt ihr euch eigentlich?«, platzt es aus mir heraus.
    Die Männer verstummen.
    Dafür werde ich umso lauter. »Ist das hier ein Auffanglager für weihnachtlich Gestörte?« Simon will etwas sagen, aber ich schneide ihm das Wort ab. »Du bist noch nicht dran!« Und dann halte ich die erste Standpauke meines Lebens und nehme mir jeden einzeln vor. »Ihr seid jetzt alle mal still und hört mir zu. Papa: Das Einzige, was du zum Weihnachtsessen beigetragen hast, sind kluge Ratschläge und jede Menge Kritik! Und du, Andreas? Du setzt dich an den gedeckten Tisch und erwartest Krankenschwesterdienste, weil du erkältet bist! Warum sehen Männer eigentlich bei jedem kleinen Schnupfen sofort den Sensenmann ums Haus schleichen?« Ich hole tief Luft. »Und jetzt zu dir, Simon! Was hast du dir dabei gedacht? Dass du mich mit einer läppischen Postkarte als heißblütige Gespielin für dein Weihnachtsprogramm buchen kannst? Oder als alternatives Show-Programm, weil du dich bei deinen Eltern langweilst?« Ich warte keine Antwort ab, reiße im Flur meine Winterjacke vom Haken und stürme aus dem Haus. Im Hof halte ich kurz an, um Tina eine SOS-SMS zu schreiben: »Hilfe!« Als ich durch die Hofeinfahrt laufe, piept schon ihre Antwort: »Zu mir oder zu dir?«
    Ich winke einem Taxi, das gerade glücklicherweise die Wiesenstraße entlangfährt. Beim Einsteigen simse ich zurück: »Bin unterwegs!« Erst im Auto fällt mir ein, dass ich die Kinder nicht mitgenommen habe.

    Als ich eine Viertelstunde später vor Tinas Tür stehe, ist meine Wut schon fast verraucht, und ich möchte am liebsten wieder nach Hause, um nach den Mädchen zu sehen.
    Tina hält mich erfreut, verwundert und leicht angeschickert zurück. »Nun beruhige dich erst einmal. Die Mädchen haben doch geschlafen, als du weggegangen bist. Amélies Vater ist bei ihnen und der ist Arzt! Weiterhin ist da noch dein Vater, mit dem sie vertraut ist, und auch Simon kennen beide seit ihrer Geburt!«
    Sie zieht mich aufs Sofa und drückt mir ein Glas Sekt in die Hand. »Du hast schließlich nicht vor, nach Papua-Neuguinea auszuwandern!« Ihre Augen blitzen unternehmungslustig. »Wie wäre es, wenn wir beide einfach feiern gehen?«
    Ich schiebe die Unterlippe vor. »Weiß nicht.«
    »Ach, komm schon! Carpe diem! Wenn du schon mal drei Babysitter gratis hast …« Ich lasse mir ihr Angebot durch den Kopf gehen. Tina hat recht. Die Kinder sind gut aufgehoben, meine Helden können ein bisschen Zeit zum Nachdenken verkraften, und ich habe schon lange mit Tina keinen Abend mehr allein verbracht. Also nicke ich. »Also gut, wo soll’s denn hingehen?«
    Tina schränkt schnell ein: »Aber getanzt wird nicht! Kein Freestyle, kein Gehopse, keine gequälten Elefanten!« Kritisch begutachtet sie meine Jeans und die blaue Bluse. Dann zieht sie mich wieder vom Sofa hoch. »Mal sehen, was mein Kleiderschrank für dich hergibt.«
    Als wir eine Stunde später die Bar »20Up!« im Empire Riverside Hotel betreten, sieht man mir mein häusliches Drama nicht mehr an. Die dunkle Hose von Tina kneift nur leicht im Bund, und ihre silberweiße

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