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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schuetze
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Liebe tut das Leben eben noch viel mehr weh.«
    Simon sagt: »Du warst die erste erwachsene Frau in meinem Leben. Ich werde dich nie vergessen.«
    Ich lächele ihn an. »Und ich werde immer an dich denken, wenn ich mit Amélie und Lisa-Marie Schiffchen falte.«

21. Kapitel
Es sind kleine Dinge
Die du tust
Völlig unbedacht und unbewusst
Die mir zeigen
Du wirst niemals bleiben.
Bernd Begemann: »Du gehst so zärtlich«
    P apa geht am ersten Weihnachtstag grummelnd seiner Wege. Simon fährt zurück nach Toulouse. Andreas bleibt.
    Den ersten Feiertag verbringt er hustend und schniefnasig im Bett. Doch schon am nächsten Tag geht es ihm besser. Er steht auf und rasiert sich, packt seine Tasche und schleppt sie in den Flur nach unten. Nach dem Frühstück steht er unschlüssig davor und murmelt: »Ich könnte ja auch noch bleiben. Meine Krankschreibung gilt noch für den Rest der Woche.«
    Einen Moment lang sagt keiner von uns etwas. Dann gebe ich meinem Herzen einen Stoß. Denn trotz seines Schnupfens hat es sich gut angefühlt, dass er da ist. Ich ergreife die Tasche und trage sie wieder zurück ins Gästezimmer. Immer noch sagt keiner von uns ein Wort. Andreas folgt mir und fragt mit schrägem Lächeln: »Räumst du jetzt meine Sachen auch noch ein?« Ich drehe mich um und antworte mit einem ebenso schrägen Lächeln: »Nein, das habe ich viel zu lange gemacht.«
    Andreas bleibt also. Er sieht sich sogar nach einem Platz für seine Joggingschuhe um. »Wem gehören die hier?«, fragt er und hebt im Korridor meine schmutzigen Laufschuhe hoch.
    »Mir.«
    »Läufst du?«
    Stolz platze ich heraus: »Aber nur eine kurze Strecke von rund fünf Kilometern.«
    Andreas wirkt beeindruckt. »Das ist großartig!« Ich spüre seinen Blick auf mir – unsicher, neugierig, irritiert. Er gefällt mir.
    In den Tagen »zwischen den Jahren« lerne ich eine neue Seite von Andreas kennen: Zum ersten Mal akzeptiert er fraglos meine Kompetenz. Die hat er mir früher höchstens in Bezug auf die Zubereitung von Bratkartoffeln oder das Kneten von Salzteig zugestanden. Die täglichen Fragen des Lebens beantwortete Andreas immer allein. Dabei hätte es uns manches Mal gut getan, wenn wir uns vorher besprochen hätten – beispielsweise, als uns die Meyers in ihr Wochenendhaus einluden.
    »Hast du gefragt, ob sie Katzen haben?«, erkundigte ich mich damals bei meinem Mann. Der winkte ärgerlich ab – schließlich war Ulli Meyer der sicherste Anwärter auf den Chefarztposten, und Andreas wollte sich gleich mit ihm gut stellen. »So einer hat keine Katzen.« Hatte er aber leider doch. Und weil Andreas hochallergisch gegen Katzenhaare ist, fuhren wir nach wenigen Stunden – viel früher als geplant – wieder ab. Da sah Andreas’ geschwollenes Gesicht bereits aus wie eine Baseler Fasnachtsmaske. Liebevoll verkniff ich mir selbstverständlich eine hämische Bemerkung.
    In diesen Weihnachtstagen aber beginnt Andreas, mich wegen aller möglichen Dinge zu fragen. Langsam und stockend, aber er fragt! Andreas bereist den neuen Kosmos mit dem Namen »Kinder« wie ein Alien den blauen Planeten. Was können, dürfen, sollen sie essen? Was mögen sie? Wovor fürchtet sich wer? Brauchen sie über der Strumpfhose noch eine paar dicke Socken? Wo ist eigentlich die Salbe für einen wunden Po?

    Die Kinder fremdeln überhaupt nicht mit Andreas, und Lisa-Marie sagt schon am dritten Tag seines Aufenthalts »Papa« zu ihm. Es geschieht, als Andreas vom Brötchenholen kommt. Beide Mädchen sitzen in ihren Hochstühlen am Küchentisch. Als sie die Haustür hört, sieht mich Lisa-Marie fragend an. »Papa? Papa? Mama, Papa?«
    Andreas legt die Brötchentüte auf den Tisch. »Hat sie Papa gesagt?« Seine Augen sind feucht.
    »Ich glaube, ja.«
    Jetzt ruft auch Amélie: »Papa!«
    Andreas grinst seine Tochter verliebt an. »Du Goldstück!«
    Das Goldstück lacht triumphierend, greift nach dem Marmeladenglas und lässt es mit lautem Krachen auf den Küchenfußboden fallen.

    Ich hatte mich nach einem Jahr Mutterschaft abgebrüht gewähnt. Doch mit Andreas an meiner Seite erlebe ich eine zweite Welle der Dauerrührung. Vielleicht verliebe ich mich noch einmal in meine kleine Tochter und in Lillis Lisa-Marie, weil ich sie mit seinen Augen neu entdecke. Ich verliebe mich auch in uns vier als Familie. Obwohl ich manchmal fast ein schlechtes Gewissen Lilli gegenüber habe. Wie viel Glück schenkt sie mir durch ihren Tod! Es kommt mir so ungerecht vor! Und manchmal habe ich

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