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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schuetze
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Erinnerungen zu synchronisieren. Die Frauen sind leichter wiederzuerkennen als die Männer, die vor allem dicker geworden sind.
    Mein Herz macht einen erschreckten Hopser, als ich in einem grauen Anzug Michel entdecke: Michel, der Abenteurer, der stets eine Lederschnur mit einem Tierzahn auf der braungebrannten Brust trug und dessen blonde Haare im Sommer völlig ausgebleicht waren, weil er mit seinen Eltern regelmäßig an die französische Atlantikküste fuhr. Dort surfte er jeden Tag, und es hätte niemanden ernsthaft verwundert, wenn ihm bis zur Rückkehr in die Schule Schwimmhäute zwischen den Zehen gewachsen wären. Dick geworden ist er zwar nicht, aber kahl und insgesamt irgendwie … grauer. Doch seine Augen leuchten auf, als er mich sieht – er hebt sein Glas in meine Richtung.
    Gerd zischt mir zu: »Michel, der alte Schwerenöter! Hat ziemlich gelitten. Wusstest du, dass er Lehrer geworden ist?«
    »Surflehrer?«
    Gerd schüttelt den Kopf. »Nee, Erdkunde und Sport. Er unterrichtet an unserer alten Penne.«
    Bevor ich mir darüber Gedanken machen kann, tritt eine hochtoupierte, ultraschlanke Blondine auf mich zu. Auch sie erinnert mich an jemanden, aber es gelingt mir nicht, ein Gesicht aus meiner Schulzeit mit dem hageren, gebräunten und leicht erstaunt blickenden Gesicht in Einklang zu bringen.
    »Herzlich willkommen, Franziska!«
    Als ich ihre Stimme höre, erkenne ich sie. »Babette?«
    Die Blondine lacht und drückt mir ein Glas mit Sekt in die Hand. »Du hast es erfasst.«
    »Komisch, ich habe dich gar nicht wiedererkannt«, murmele ich und stürze den Sekt hinunter.
    »War ja auch teuer genug«, flötet Babette.
    »Teuer?«
    Babette lächelt, wobei sich ihr Mund kaum öffnet. »Na, ich sage es dir lieber gleich – reden ja doch alle drüber. Hubert, mein Mann, ist Schönheitschirurg.« Sie zeigt mit der Geste eines Rennstallbesitzers, der seinen dekorierten Preishengst vorführt, auf einen ebenfalls tief gebräunten Mann in gut sitzender Freizeithose und einem rosa Polohemd. Er demonstriert den Umstehenden offenbar gerade seine Golftechnik.
    »Hubert hat mich von Grund auf erneuert, was indirekt ein Anlass für mich war, dieses Klassentreffen zu veranstalten. Aber es hat sich doch gelohnt, oder?« Sie lässt offen, ob sie ihre OP oder die Feier meint. Ihr Blick gleitet an mir hinunter. »Ich hatte dich gar nicht so modisch offensiv in Erinnerung. Bist du etwa aus der Branche?« In ihrem Tonfall liegt eine widerwillige Bewunderung, wie ich erstaunt feststelle. Und jetzt bin ich doch froh, dass Lilli mich überredet hat, mich umzuziehen, und lege schnell meine Hand auf den Fleck. Wenn Babette den sieht, ist der gute Eindruck zum Teufel. Ich will mich gerade verdrücken, da sagt sie: »Das damals mit Michel, Franziska … Glaub ja nicht, dass ich dir das jemals verziehen habe!«
    »Was?«
    Babette greift nach meinem Ellbogen. »Wenn du damals nicht mit Michel geknutscht hättest, wären wir garantiert ein Paar geblieben. Aber nach dieser Party war es mit uns aus.«
    Ich finde meine Stimme wieder. »Doch nicht meinetwegen!«
    Babette zuckt mit den Schultern. »Was auch immer da zwischen euch geschehen ist – danach hat Michel mit mir Schluss gemacht.«
    Während ich diese erstaunliche Information noch verdaue, ruft jemand von hinten: »Babette, komm doch mal, diese Bilder musst du dir ansehen.«
    Bevor sie der Aufforderung Folge leistet, flüstert sie mir zu: »Du solltest auch mal über eine OP nachdenken. Deine Lider hängen!« Damit dreht sie sich um.
    Einen Moment lang stehe ich da wie vor den Kopf geschlagen. Meine gute Laune ist verpufft. Eine neue Bluse macht eben noch keinen neuen Menschen aus mir. Eigentlich möchte ich sofort nach Hause. Was habe ich mir eigentlich gedacht? Dass ich da anknüpfen kann, wo wir aufgehört haben? Am Anfang des Lebens?
    Eine grauhaarige, dickliche Frau tritt auf mich zu. Sie lächelt mich schüchtern an und sagt: »Hallo, Franziska!« Sie scheint sich mindestens so unwohl zu fühlen wie ich.
    Ich grüße höflich zurück und durchforste vergeblich mein Hirn nach einem Namen, nach einer Erinnerung. Aber da ist einfach nichts. Eine ungute Zeit des Schweigens verstreicht. Ich fasse mir schließlich ein Herz. »Du, entschuldige, aber …«
    Die Dicke fällt mir grob ins Wort: »Du hast keine Ahnung, wer ich bin? Nicht wahr?«
    Ich lächele entschuldigend. »Stimmt, ertappt! Hilfst du mir aufs Pferd? Ist ja auch schon so lange her …«
    Doch die Dicke zeigt

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