Kleine Sünden erhalten die Liebe
hinein, holte eine Faust voll Essen heraus und schob sich alles in den Mund. Einige Reiskörner fielen ihm aus dem Mund und landeten auf dem Tisch. Er schaufelte eine weitere Ladung aus der Schüssel, und die Hälfte davon fiel auf den Fußboden. Er zeigte dem Boden den Stinkefinger, presste sein Gesicht in die Schüssel und leckte sie sauber. Dann sah er mich an und schmatzte. »Cha, cha, cha.«
»In deinem Fell klebt Reis«, teilte ich ihm mit.
Carl zeigte mir den Finger, sprang von seinem Hochstuhl, trippelte ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an.
»Weiß er, dass das sehr unhöflich ist?«, fragte ich Diesel.
Diesel stach mit seiner Gabel in ein Stück Hähnchenfleisch. »Es ist schwer zu sagen, was Carl weiß.«
»Bist du mit der neuen Botschaft vorangekommen?«
»Wir sind wieder bei Shakespeare. Oft spricht beredt der reinen Unschuld Schweigen, wo Worte nichts gewinnen ist ein Zitat aus Das Wintermärchen . Im Grunde genommen bedeutet es, dass Schweigen oft mehr sagt als viele Worte. Der zweite Satz bezieht sich auf einen gewissen Tichy.«
Diesel stand auf und kam mit einem Notizblock wieder zurück.
»Peder Tichy war ein dänischer Paläontologe, Geologe und Ingenieur«, las er vor. »Geboren am 11. Mai 1790. Gestorben am 17. März 1862. Er wuchs in Kopenhagen auf, wanderte in die Vereinigten Staaten aus und wurde Professor für Naturgeschichte in Harvard.«
»Interessant, aber nicht hilfreich.«
»Er war ein sehr einflussreicher Mann. In der Gegend um Boston gibt es einige Sehenswürdigkeiten, die nach ihm benannt sind. Ein Stadtviertel in Cambridge heißt Tichytown, eine Stadt im Norden Algeriens ist nach ihm benannt, und ein Dinosaurier, der dem Stegosaurus ähnelt, heißt Tichasaurus Armatus.«
»Falls der nächste Hinweis in Algerien zu finden ist, bist du auf dich allein gestellt.«
»Ich dachte, wir fangen mit den Sehenswürdigkeiten an. Ich habe vier gefunden, und sie sind alle in Cambridge.«
»Heute noch?«
»Nein. Morgen. Bei Tageslicht werden wir es leichter haben. Und ich habe heute Abend eine Verabredung.«
Mein Magen krampfte sich zusammen. Der Mann, der letzte Nacht nackt neben mir geschlafen hatte, hatte ein Date. Und zwar nicht mit mir. Okay, zwischen uns war eigentlich nichts passiert, und er hatte ein Recht darauf, sich mit anderen Frauen zu treffen. Schließlich war er nicht mein fester Freund. Aber ich hatte trotzdem das Gefühl, als hätte mir jemand soeben eine Gabel ins Herz gestoßen.
Er starrte auf seinen leeren Teller. »Gibt es noch Nachspeise?«
»Nein .«
»Meine Güte«, sagte er. »Ich habe ja nur gefragt.«
»Tut mir leid, das klang wohl etwas bissig. Ich habe Eiscreme.«
»Eiscreme wäre großartig.«
Ich hatte die Sorten Vanille, Schokolade und Kaffee. Da ich wusste, dass er am liebsten Schokolade mochte, brachte ich ihm den Becher mit Kaffee. Ich war im Augenblick nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen.
Er aß sein Eis auf und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich muss los.« Er schob seinen Stuhl zurück und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. »Ich lasse Carl hier.«
Und weg war er.
»Mistkerl!«, rief ich, nachdem die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte.
Carl drehte den Fernseher lauter.
»Und du sei vorsichtig«, warnte ich Carl und drohte ihm mit dem Finger. »Du bewegst dich auf dünnem Eis.«
Ich räumte den Tisch ab und trug das Geschirr missmutig in die Küche. Ich war wirklich eine Idiotin. Ich hätte ihm gar keine Eiscreme geben sollen. Er hätte sich selbst sein blödes Eis besorgen können. Und in meinem Bett würde er heute Nacht auch nicht schlafen. Sollte er doch in ihrem Bett schlafen. Okay, das war unrealistisch. Ich konnte ihn nicht davon abhalten, sich in mein Bett zu legen. Er würde einfach die Tür aufsperren, seine Boxershorts auf den Boden fallen lassen und unter meine Decke kriechen. Außerdem wusste ich gar nicht, ob er sich tatsächlich mit einer anderen Frau traf. Über so etwas sprachen wir nicht miteinander. Aber es wäre logisch, wenn ein Mann mit so viel Testosteron sich hin und wieder irgendwo Erleichterung verschaffen müsste.
»Männer!«, schimpfte ich und knallte das Geschirr in den Geschirrspüler.
Katze Nr. 7143 saß auf der Arbeitsplatte und hatte den halben Schwanz um die Pfoten gelegt.
»Mein Leben ist verwirrend«, sagte ich zu Katerchen. »Ich bekomme es nicht in den Griff. Und ich fühle mich auf eine geradezu lächerliche Weise von einem Idioten angezogen.«
Katerchen
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