Kleine Sünden erhalten die Liebe
besorgt habe«, erklärte Early und zog einen Bunsenbrenner aus ihrer Schultertasche von Hermès. »Eigentlich wollte ich damit Crème brulée karamellisieren, aber mit dem Ding kann man alles anzünden.«
»So wie Ihr eigenes Haus?«, fragte ich.
»Das war ein Unfall.«
»Und mein Auto?«
»Ich habe nur geübt. Und was habt ihr mir mit diesem Mehl angetan? Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
»Mehl?«, fragte Clara. »Welches Mehl?«
Ich nickte zustimmend. »Ich kann mich an kein Mehl erinnern.«
Early drückte auf den Knopf, und – wusch – eine ungefähr fünfundzwanzig Zentimeter lange Flamme schoss aus dem Bunsenbrenner.
»Vorsicht«, mahnte Clara. »Das ist viel zu viel für eine Crème brulée.«
»Ich mag Feuer.« Early drückte erneut.
»Und nun?«, fragte ich sie.
»Weltherrschaft und Chaos. Mein Name ist Anarchie!« Sie wedelte mit dem Bunsenbrenner vor uns herum und schoss Flammen auf uns ab. »Wie lautet mein Name?«, rief sie fordernd.
»Anarchie«, antworteten wir einstimmig.
»Ich will den Stein haben, und du wirst ihn mir besorgen.« Dabei deutete sie mit dem Finger auf mich und setzte meine Schürze in Brand. Ich versuchte, die Flammen mit einem Küchentuch auszuschlagen, und Clara spritzte mit dem Schlauch über der Spüle darauf.
»Meine Güte.« Hastig zog ich mir die Schürze vom Leib und betrachtete das Loch darin. »Sie sollten vorsichtiger mit diesem Flammenwerfer umgehen! Küchenschürzen wachsen schließlich nicht auf Bäumen.«
»Du hast vierundzwanzig Stunden Zeit, um mir den Stein zu bringen, oder ich brenne dein Haus bis auf die Grundmauern nieder«, drohte sie mir.
Sie richtete den Bunsenbrenner auf einen Stapel Handtücher, und mit einem Pffffft ging alles in Flammen auf.
»Ich habe den Stein nicht«, erklärte ich. »Wulf hat ihn.«
Okay, das war nicht sehr nett von mir, aber das war mir egal. Um Early oder Anarchie oder wer zum Teufel diese Frau im Moment auch sein mochte, loszuwerden, wäre ich sogar bereit gewesen, Wulf vor einen Bus zu stoßen.
»Hör gut zu«, zischte sie. »Ich befehle dir, ihn mir zu bringen. Du bringst mich langsam echt zur Weißglut.«
Pfffft. Sie äscherte ein Tablett mit Laugenbrötchen ein.
»Das hätten Sie nicht tun sollen«, sagte Glo. »Mr Nelson wird jeden Moment hier sein, und das wird ihm gar nicht gefallen.«
»Ich will diesen Stein!«, kreischte Anarchie.
»Natürlich«, beruhigte ich sie. »Kein Problem. Wohin soll er geliefert werden?«
Sie zog eine Visitenkarte aus ihrer Handtasche. »Das ist meine Handynummer. Ich ziehe gerade um.«
»Okay«, sagte ich. »Möchten Sie einen Cupcake zum Mitnehmen?«
»Ich esse keine Cupcakes«, erwiderte sie. »Sehe ich etwa so aus, als würde ich Cupcakes essen? Wohl kaum. Ich trainiere täglich meine Bauch- und Pomuskeln. Ich habe keinerlei Anzeichen von Orangenhaut. Ich ernähre mich wie ein Alpaka. Sprossen und Brunnenkresse.«
»Kein Wunder, dass Sie immer so übellaunig sind«, meinte Glo.
Pffft. Pfffft! Sie steckte eine Küchenrolle und drei Laibe Pumpernickel in Brand.
»Sie meinte nicht übellaunig«, sagte ich rasch zu Anarchie. »Sie meinte schlau und scharfsinnig. Eine Frau, die aufs Ganze geht. Und die weiß, was sie tut.« Ich warf Glo einen Blick zu. »Stimmt’s, Glo?«
»Ja«, bekräftigte Glo. »Genau das habe ich gemeint.«
»Eine Frau, die aufs Ganze geht«, wiederholte Anarchie. »Das gefällt mir.« Sie sah sich um. »Warum bin ich hier?«
Clara schob ein Mehrkornbrot in eine Tüte und reichte es ihr. »Sie wollten Brot.«
»Ach ja«, sagte Anarchie. »Danke.«
Und sie ging hinaus.
Clara sperrte die Tür ab. »Die hat wohl komplett den Verstand verloren. Ich würde ihr ja gern helfen, aber ich weiß nicht, wie.«
»Das ist wirklich schwierig«, stimmte Glo ihr zu. »Wenn man versuchen würde, sie mit einem großen Schmetterlingsnetz zu fangen wie bei Dick & Doof , würde sie es sofort in Brand setzen.«
Die Ladenglocke über der Tür ertönte, und Glo spähte in den Verkaufsraum. »Das ist Mr Nelson«, verkündete sie. »Was soll ich ihm sagen?«
»Sag ihm, es täte uns sehr leid, aber uns ist ein ganzes Blech mit Laugenbrötchen verbrannt, also müsse er sich diese Woche leider mit weniger begnügen. Und gib ihm alles, was noch da ist«, befahl Clara. »Und die Differenz gleichst du mit Bagels aus.«
»Glaubst du, sie würde tatsächlich mein Haus abfackeln?«, fragte ich Clara.
»Sie hat ihr eigenes Haus niedergebrannt. Ich traue ihr zu, alles
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