Kleine Suenden zum Dessert
ansah.
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, uns heute mitzuschleppen«, sagte er.
»Mann! Natürlich nicht.« Jetzt hatte sie zum zweiten Mal »Mann« gesagt - und sie hatte das Gefühl, dass ihre Nase zehn Zentimeter länger geworden war.
»Wir wollen dir nämlich nicht im Weg sein«, setzte er hinzu.
Sie fuhr zu ihm herum. »Was soll denn das heißen?« Er hatte letzte Nacht doch nicht etwa einen Slip von ihr unter Adams Bett gefunden? Nein. Ewan würde niemals ein Stück ihrer Unterwäsche erkennen - nicht einmal die Dinge, die er ihr selbst gekauft hatte.
»Naja - bei deinem Versuch, dich zu finden, meine ich.« Aber hallo! Woher wusste er, dass sie sich suchte? War das derselbe Mann, der einmal auf der Straße an ihr vorbeigegangen war und sie nicht erkannt hatte (ganz zu schweigen von ihrer Unterwäsche)?
»Ich habe einfach die Gelegenheit bekommen, etwas ganz anderes zu tun, Ewan«, sagte sie, um Diplomatie bemüht. »Vollkommen neue Erfahrungen zu machen. Vielleicht ist es dir in Florida ja genauso gegangen.«
»Ja, jetzt, wo du es erwähnst...«
Sie wartete voller Hoffnung. Würde er ihr gestehen, dass er im Hotelzimmer stundenlang Schwulenpornos geguckt hatte, wenn die Jungs schliefen? Oder vielleicht ein Kilo Kokain geschnupft? Hatte er sich in Disneyworld an Schneewittchen herangemacht? War es möglich, dass auch er sich verändert hatte?
»Nein - ich habe eigentlich nichts sensationell anderes getan«, gestand er nach einigem Überlegen, und ihre Hoffnung fiel in sich zusammen. »Aber ich musste mich ja auch allein um zwei Kinder kümmern«, setzte er in einem vorwurfsvollen Unterton hinzu. »Da sind die Möglichkeiten begrenzt.«
»Das weiß ich, Ewan - glaube mir.«
»Sie haben dich vermisst, Grace.«
»Ich habe sie auch vermisst.«
»Vor allem, als diese Busengeschichte passierte ...«
»Natürlich.«
»Er braucht dich wirklich, Grace. Das ist der wahre Grund für unsere vorzeitige Rückkehr. Ich dachte, Jamie hat ein Problem, und in dieser Situation ist der beste Platz für ihn bei seiner Mutter.«
»Du lieber Himmel, Ewan - hör mit diesem Bockmist auf!«, fuhr sie ihn an.
»Was?« Er starrte sie verständnislos an.
»Du hast getan, was du immer tust. Gib es einfach zu! Du hast dich zu der vorzeitigen Rückkehr entschlossen, damit ich mich mit dem Problem auseinander setzen muss und du es von der Backe hast!«
»Das ist ungerecht, Grace«, beschwerte er sich gekränkt.
»Schließlich habe ich mich sehr wohl damit auseinander gesetzt. Wer hat denn mit der Klinik und mit Ärzten und mit der Versicherung konferiert? Wer hat dafür gesorgt, dass eine Hormontherapie begonnen wurde?«
Sie seufzte. Es war sinnlos. »Du, Ewan.«
»Nein, nein - so schnell wollen wir das Thema nicht beenden. Offenbar hältst du mich für unfähig, mit Problemen umzugehen, und wenn ich es doch mal schaffe, ist es dir nicht recht, stimmt‘s?«
»Sei nicht albern.«
»Du willst, dass ich Mist baue, stimmt‘s? Du wärst begeistert gewesen, wenn wir halb verhungert und in Lumpen aus Amerika zurückgekommen wären. Dann hättest du dich so richtig überlegen fühlen können. Ich habe es bis obenhin, immer im Unrecht zu sein!«
»Dann tu was dagegen!«, zischte sie. »Du hast jetzt zehn Jahre auf dem Rücksitz gesessen - und das habe ich bis obenhin!«
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass atemlose Stille um sie herum herrschte - und der Bus war stehen geblieben. O Gott! Hatte Martine beschlossen, sie auf die Straße zu setzen, weil sie ihre Streiterei nicht mehr hören konnte?
Nein. Niemand achtete auf sie. Aller Blicke waren nach vorne gerichtet, wo Julias Sohn Michael sich, mit Taschen, Rucksäcken und einer riesigen Kühlbox beladen, zur Tür hereinzwängte. Ihm folgte Gillian, ganz in strahlendem Weiß und mit einer Fliegenpatsche bewaffnet, und schließlich Susan, deren Gesicht eine Mischung aus Gereiztheit und Langeweile ausdrückte. Also waren noch Eintrittskarten da gewesen. Julia hatte Grace gestern Abend anvertraut, sie hoffe, dass es keine mehr gebe.
»Mammy!«, rief er, und sie stürzten sich auf Julia.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie ihr Gepäck in den Fächern über den Sitzen verstaut und sich endlich niedergelassen hatten - und dann wurde Gillian hektisch, weil sie eine Schmeißfliege entdeckte.
Sie gab Michael die Patsche. »Bring sie um, Michael! Die Biester können bis zu fünfzig verschiedene Krankheitserreger an ihren widerlichen Beinen haben!«
Schließlich war die
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