Kleine Suenden zum Dessert
Verlobte, und ich will nicht mehr hören, dass Sie über sie herziehen. Ständig haben Sie etwas zu nörgeln und zu sticheln. Sandy würde über Sie niemals etwas Schlechtes sagen - dazu ist sie viel zu nett!«
»Manchmal sind Menschen nicht, was sie zu sein scheinen, Frank.«
»Was soll das nun wieder? Sie wissen doch gar nichts. Was gibt Ihnen das Recht, Ihre Nase in fremder Leute Angelegenheiten zu stecken und die Menschen zu zerpflücken, die sie lieben? Sie halten sich wohl für was Besseres? Ausgerechnet Sie, die mit ihrem Mann und ihren Kindern in diesem Bus sitzt und die ganze Zeit, während sie weg waren, mit einem anderen Mann geschlafen hat? An Ihrer Stelle würde ich erst mal mein eigenes Leben in Ordnung bringen, bevor ich mir über jemand anderen das Maul zerreiße!«
»Ich sorge mich doch nur um Sie, Frank.«
»Sie sorgen sich nicht um mich - Sie bemitleiden mich. Aber ich will Ihr Mitleid nicht. Es ist nicht angebracht. Weil ich nämlich eine Frau gefunden habe, die mich liebt, okay? Und das, obwohl ich dachte, dass mir das nie vergönnt sein würde.« Er nahm seine Reisetasche auf. »Und sie wird ihre Operation bekommen. Weil ich dafür sorgen werde! Ich werde in dieses Flugzeug steigen, und ich werde an ihrem Bett sitzen, und dann werde ich sie gesund pflegen, und wir werden glücklich sein, okay? Wir werden bis ans Ende unserer Tage glücklich sein!«
Damit drehte er sich um und verschwand in der Abflughalle. Grace schaute ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war. Dann stieg sie wieder in den Bus. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich irrte.
»Grace! Gott sei Dank sind Sie hier!«, rief Amanda. Grace verstand das nicht. Gestern Abend beim Essen war sie regelrecht grob zu dem Mädchen gewesen - schließlich waren sie Rivalinnen. Naja - bis Amanda angefangen hatte, leise in ihre Suppe zu weinen. Da hatte Grace ihre Haare aus dem Teller gefischt und sie mit einer Wärmflasche ins Bett geschickt. Und später tröstete sie sie, als sie mitten in der Nacht aus einem Albtraum hochgefahren war, in dem Adam eine andere Frau gebumst hatte (»Eine fette Frau, Grace!«). Und heute früh hatte sie sie mit Engelszungen überredet, wenigstens ein paar Löffel Porridge zu essen, bevor sie ihr zwei Schinkensandwiches für unterwegs machte. Sie konnte es sich auch genauso gut eingestehen: Sie war Amandas neue beste Freundin.
»Was ist denn los, Amanda?«, fragte sie und hob den Hammer. Sie versuchte gerade, ein Zelt aufzustellen. An einem Hang. Mit einem starken Wind im Rücken.
»Er ist hier!« Amanda platzte beinahe vor Aufregung. Der Hammer verfehlte Graces Fuß nur um Haaresbreite.
»Wer?«, fragte sie scheinbar verständnislos.
»Adam! Er ist gesehen worden«, strahlte Amanda.
»Wirklich.«
Diesmal verfehlte der Hammer nur sehr knapp Amandas Kopf. Grace ließ ihn sinken. Es war sicherer.
»Martines Kumpel François traf John aus England, der erzählte, dass Gunther mit Ivan gesprochen hätte, der kurz davor Adam gesehen habe.«
»Wo?«
»Wo was?«
»Wo genau hatte er ihn gesehen?«
»Das weiß ich nicht. Irgendwo hier ...«
»Denken Sie nach, Amanda! Denken Sie nach!«, drängte Grace das Mädchen, doch als sie den befremdeten Ausdruck auf dem kleinen Gesicht sah, beeilte sie sich hinzuzufügen: »Ich bin nur ... äh ... neugierig.«
»Sie haben Recht. Ich hätte fragen sollen.« Jetzt schaute Amanda kummervoll drein. »Es sind fünfzigtausend Menschen hier, Grace! Ich werde ihn nie finden.«
»Unsinn.« Grace ließ den Blick verzweifelt über Gruppen von jungen Leuten wandern. Es waren nicht nur unübersehbare Massen, sie sahen auch noch alle mehr oder minder gleich aus: Jeans und T-Shirt, Jeans und abgeschnittenes Top, Jeans und ... einfach Jeans. So viel zum Streben der Jugend nach Individualität. »Vielleicht trägt er ja heute seine Khakishorts.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. »Und sein rotes Rettet-die-Welt- T-Shirt.«
Amanda schaute sie seltsam an. »Sie scheinen gut über seine Garderobe Bescheid zu wissen.«
»Ich? Nun ja...« Sie spürte, wie ihre Wangen vor Schuldbewusstsein zu glühen begannen. Sie musste eine Erklärung präsentieren. »Ich bin Modedesignerin, wissen Sie.«
»Wow!« Amanda war sichtlich beeindruckt. »Kennen Sie jemanden von den Guccis?«
»Alle«, murmelte Grace.
»Mummy isst oft mit ihnen. Die werden Augen machen, wenn sie erfahren, dass ich Sie kennen gelernt habe.«
»Ich bemühe mich, im Hintergrund zu bleiben.« Zu ihrer Erleichterung sah
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