Kleine Suenden zum Dessert
sie Martine den Hügel heraufkommen.
»Und?«, fragte sie in aggressivem Ton. »Wo ist der Mistkerl?«
»Wer?«, fragte Amanda erschrocken.
»Adam! Er und Joey sollten uns einen guten Platz reservieren. Stattdessen hocken wir an einem steinigen Hang weitab von der Action, während er sich abseilt, um die Musik zu genießen. Und das nach seinem ganzen Gefasel von Radikalität. Der Knabe ist ein typischer Lehnsesselaktivist.«
Amandas Unterlippe zitterte vor Empörung. »Das ist er nicht!«
»Nein? Wieso ist er dann unten an der Bühne statt hier oben bei uns?«
»Er ist unten an der Bühne?« Amandas Kopf fuhr herum. (Grace schaffte es, sich zu beherrschen.)
»Ja! Wie so ein bescheuertes Groupie«, schimpfte Martine. »Falls er sich hier oben sehen lässt, könnt ihr ihm von mir ausrichten, er soll sich verpissen, okay?« Damit stürmte sie davon, zu ihren Mitstreitern hinunter, die damit beschäftigt waren, ihre mit dem Schriftzug MOX bemalten Zelte aufzustellen und ihre Transparente zu entrollen. Einer öffnete eine Schachtel mit Flugblättern. Natürlich würden in einer Minute Sicherheitsleute auf dem Plan erscheinen. Und vielleicht sogar Polizeibeamte. Sergeant Daly hielt sie doch bestimmt wegen des möglichen Erscheinens einer Bande von Anti-Atomkraft-Demonstranten in Bereitschaft.
Amanda schluchzte trocken auf. »Da unten an der Bühne finde ich ihn nie. Was soll ich jetzt tun? Ich muss ihn sehen, Grace! Ich muss mit ihm reden!«
Ihre Knie zitterten bedenklich, und Grace sagte ungeduldig: »Um Himmels willen, Amanda - es geht nur um einen Mann!«
Einen äußerst attraktiven jungen Mann, zugegeben, mit vielen guten Eigenschaften. Einschließlich der Fähigkeit, Frauen in sich verliebt zu machen. War sie in ihn verliebt? Sie wusste es nicht mehr.
»Sie verstehen gar nichts!«, rief Amanda, was Grace angesichts der Tatsache, dass sie dem armen Ding gute zehn Jahre an Lebenserfahrung voraushatte, ein wenig irritierend fand. Nicht, dass sie viel daraus gelernt zu haben schien. Man schaue sie doch nur an! Sie spielte tatsächlich mit dem Gedanken, ihre solide, respektable und sichere Existenz gegen eine ungewisse Zukunft in einer Hütte am Strand von Tasmanien einzutauschen! Die ganze Sache war so verrückt, dass sie in schallendes Gelächter ausbrach.
»Ich dachte, Sie wären nett«, sagte Amanda und brach neuerlich in Tränen aus. »Stattdessen lachen Sie über mich.«
»Aber nein, Amanda - ich habe nicht über Sie gelacht.« Grace schaute sie an. Das Mädchen war um die halbe Welt geflogen, um Adam zu sehen. Das war Liebe. »Hören Sie auf zu jammern. Wir gehen ihn suchen, okay?«
Amanda war so überrascht, dass ihr Empörungsschluchzen sich auf ein schnurgelndes Schniefen reduzierte. »Wie sollen wir ihn unter fünfzigtausend Menschen finden?«
Gute Frage. Grace ließ den Blick wandern. Er fiel auf einen Metallpfosten, der etwa fünfzig Meter entfernt in die Höhe ragte. Zwei riesige Lautsprecher waren an seinem oberen Ende befestigt.
»Kommen Sie mit«, sagte sie im Befehlston.
Amanda folgte ihr zwar, maulte jedoch: »Wohin gehen wir denn?«
»Entschuldigung ... danke schön ... darf ich mal... danke sehr...« Grace bahnte sich den Weg durch die Menge. »Ich muss da hin.« Sie scheuchte ein paar Teenager weg, die es sich am Fuß des Pfostens gemütlich gemacht hatten. »Service«, erklärte sie ihnen.
Der Pfosten war wirklich hoch und sah rutschig aus, doch dankenswerterweise gab es Metallkrampen, die ihr den Aufstieg erleichtern würden. Sie musste nur die erste Krampe erreichen, die etwa in Schulterhöhe angebracht war, um zu verhindern, dass jeder Möchtegernkletterer sich daran versuchte.
»Ich brauche Ihre Schulter«, sagte sie zu Amanda.
»Wofür?«
»Fragen Sie nicht - stellen Sie sich einfach hier hin.« Amandas Schulter sah aus, als könnte sie nicht einmal das Gewicht einer Fliege tragen, geschweige denn einen Menschen von Graces Statur, doch als Grace ihre Hand darauf legte, erwies sie sich als erstaunlich stabil. Grace stellte den Fuß auf den Rucksack, den einer der Teenager in der Eile zurückgelassen hatte. Irgendetwas darin gab mit einem Quietschen nach, als sie mit ihrem ganzen Gewicht auftrat - es fühlte sich an wie ein Bananensandwich -, doch sie ließ sich nicht davon irritieren. Sie zog sich an dem Pfosten hoch und umklammerte ihn wie ein Affe. Jetzt musste sie nur noch die erste Krampe erreichen. Es war fast geschafft.
»Was für eine tolle Idee!«, rief Amanda, aber
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