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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Dowling
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sind schon richtig hier. Das Haus gehört ihr.«
    Er gab sich mit dieser Information zufrieden. »Großartig. Ich dachte schon, ich hätte mich verirrt.« Er lächelte sie an. »Für gewöhnlich verirre ich mich allerdings nicht.«
    Nun, da er sicher war, am Ziel zu sein, öffnete er das Gartentor. Er trug die größten Stiefel, die sie jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Wanderstiefel. Und jetzt wippte er darin. Seine blonden Dreadlocks standen vom Kopf ab wie Stummelschwänze von Welpen, und auf einer Seite blitzte ein Ohrring.
    »Und«, sagte er. »Werden Sie mich reinlassen?«
    »Wie bitte?«
    »Ins Haus.«
    Grace lächelte ebenfalls, obwohl sich in ihrem Kopf die möglichen Folgen überschlugen, die dieses Ansinnen zeitigen könnte. »Sie möchten hereinkommen?«, fragte sie der Klarheit halber.
    »So ist es.« Er schaute wieder auf seinen Zettel. »Wollen Sie das Geld vielleicht im Voraus haben?«
    »Nein, nein, absolut nicht«, erwiderte sie fröhlich, und ihre Verwirrung wandelte sich zu einer lächerlichen Entschlossenheit. diesen Kampf auszufechten. »Hat Mrs Carr denn etwas von einer Vorauszahlung gesagt?« Ein dreifaches Hoch auf den Erfinder der Gegenfrage-Taktik!
    »Sie sagte, ich könnte bezahlen, wenn ich abreise.«
    »Ich verstehe«, antwortete sie, obwohl sie das absolut nicht tat.
    »Ich habe gebucht, wissen Sie«, sagte er. »Ich bekam Mrs Carrs Nummer vom örtlichen Fremdenverkehrsbüro und rief letzte Woche bei ihr an.«
    Natürlich! Die Frau betrieb eine Frühstückspension. Grace achtete darauf, dass ihr Gesichtsausdruck sich nicht änderte. »Ich fürchte, es gibt ein kleines Problem«, eröffnete sie ihm. »Mrs Carr liegt im Krankenhaus.«
    »Oh.«
    »Sie wird erst in ein paar Tagen herauskommen.«
    »Ich hoffe, es ist nichts Ernstes.« Er sah aus, als meine er, was er sagte.
    »Eine Fußverletzung«, erklärte Grace vage. »Aber sie wird auch nach ihrer Entlassung erst einmal nicht in der Lage sein, sich um Gäste zu kümmern, und darum ...«
    »Oje.« Sein Lächeln machte Bestürzung Platz.
    »Es tut mir sehr Leid«, sagte sie. »Vielleicht finden Sie ja woanders eine Unterkunft.«
    »Ich werde es versuchen.« Er hievte den Rucksack höher auf seine breiten Schultern und klemmte sich die Rolle unter den anderen Arm. Sie musste ganz schön schwer sein, sonst hätte sie den Außenspiegel von Lisas BMW nicht so leicht abschlagen können, und der junge Mann verzog auch ein wenig das Gesicht. »Dürfte ich vielleicht bei Ihnen telefonieren?«
    Grace zögerte. Sie wollte eigentlich keinen Fremden in ein Haus lassen, das ihr nicht gehörte. »Meine Handykarte ist leer, und ich müsste sonst den ganzen Weg zum Bahnhof zurückgehen. Und offen gestanden bin ich total erledigt.«
    Er sah wirklich müde aus, und außerdem war sie an dieser Situation nicht ganz unschuldig.
    »Also schön - kommen Sie rein. Ich bin sicher, dass es hier irgendwo ein Telefonbuch gibt.«
    Kaum über die Schwelle getreten, zog er unaufgefordert seine Stiefel aus. Grace sah zu, wie er sie ordentlich nebeneinander stellte und dann seinen Rucksack und die Rolle daneben. Offenbar herrschten in Australien andere Sitten. Oder vielleicht gehörte er einer Religion an, die Fußbekleidung in geschlossenen Räumen verbot. Sie ließ ihre Schuhe an und führte ihn ins Wohnzimmer, setzte ihn in Mrs Carrs abgeschabten, roten Lehnsessel und brachte ihm Mrs Carrs schnurlosen Apparat und ein örtliches Telefonverzeichnis.
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte er. Seine Manieren waren tadellos. Und er hatte schöne Zähne. Seine Haare allerdings hätte sie für ihr Leben gern gebürstet. Aber die Hauptsache war, dass er nicht den Eindruck machte, als würde er sich mit Mrs Carrs Wertsachen aus dem Staub machen, sobald er unbeobachtet wäre. Trotzdem ließ sie die Küchentür offen, als sie sich mit den von zu Hause mitgebrachten Putzmitteln an den Herd machte. Sie richtete nicht viel aus - er würde wohl für immer schwarz bleiben. Angesichts dessen, dass Nick ihre Küche mit Beschlag belegt hatte, könnte sie sich heute Abend vielleicht sogar hier etwas kochen.
    Ihr Bruder irritierte sie schon jetzt, wie er das ihre ganze Kindheit hindurch getan hatte. Wie sollte sie da mit ihm unter einem Dach leben, bis sie nach Florida fliegen könnte? Wann auch immer das sein würde. Falls es überhaupt so weit käme. Plötzlich wurde ihr bewusst, was sie alles versäumte: das schmuddelige Motel, Critter Country, Hot Dogs und buttertriefendes

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