Kleine Suenden zum Dessert
erkundigte er sich und wirbelte sie von sich weg, ehe sie etwas erwidern konnte. Jetzt hasste sie ihn regelrecht. Sie ergriff die Initiative und wirbelte mit so viel Schwung zu ihm zurück, dass sie gegen seine Brust prallte und ihm die Luft aus den Lungen presste.
»Tut mir Leid«, entschuldigte sie sich unaufrichtig. »Können wir uns jetzt setzen?«
Adam ließ sie augenblicklich los. »Selbstverständlich. Es macht Ihnen offensichtlich keinen Spaß.«
Er hatte aufgegeben. Sie hatte das Rührmichnichtan zu überzeugend gespielt. Aber genau das hatte sie doch erreichen wollen, oder? Natürlich!
Sie aßen den Risotto und redeten über Reisen und Bücher, beim Dessert lehnte er einen Nachschlag ihrer brustförmigen Meringuen ab, und als sie die Kerze ausblasen ging, hielt er sie nicht zurück, und sie fühlte sich plötzlich, als hätte jemand die Luft aus ihr herausgelassen. Was absolut lächerlich war! Sie hatte ihren Spaß gehabt und er seinen, und es war das Beste, es dabei zu belassen (wann war ihr der Gedanke gekommen, dass vielleicht mehr daraus werden könnte?).
Er bot ihr an, beim Abwaschen zu helfen, doch sie lehnte dankend ab, sagte ihm, dass zahlende Gäste (sie hatte sich inzwischen überlegt, ihm doch Geld abzuverlangen) nicht ihr Geschirr spülten. Er bot an, Kaffee zu machen, aber sie ließ auch das nicht zu. Schließlich gab er sich geschlagen und ging mit seinem Weinglas in den Garten hinaus. Grace lief nach oben und rief von Mrs Carrs schnurlosem Telefon aus in Florida an, wobei sie sich im Geist einen Knoten ins Taschentuch machte, um nicht zu vergessen, Geld für das Gespräch auf dem Tischchen in der Diele zurückzulassen.
»Grace? Ist etwas mit dir?« Ewan klang ein wenig gereizt und sehr weit weg.
»Nein, nein. Ist etwas mit dir?«
»Nein.«
»Ich meine ja nur - weil du sagtest, du würdest wieder anrufen, und es nie getan hast.«
»Wir sind in diesem Moment im Park angekommen.«
»Im Park? Du meinst Disneyworld?«
»Ja. Es ist unglaublich. Wir habe gerade einen riesigen ...« Seine restlichen Worte gingen in einem ohrenbetäubenden Dröhnen unter. Wahrscheinlich kam eine riesige, grinsende, elektronische Mickey Mouse vorbei oder so was. »Geht es den Jungs gut?«, fragte sie, als der Krach verebbt war.
»Die sind ganz in ihrem Element. Willst du mit ihnen sprechen? Neil - komm mal her! Neil! Mum ist am Telefon! Sie will mit dir reden. Neil!«
»Ich sag dir was, Ewan«, überspielte sie ihre Enttäuschung darüber, dass ihr Sohn offenbar kein Interesse daran hatte, mit ihr zu telefonieren, »ich rufe an, wenn bei euch Abend ist. Dann können wir uns ausführlich unterhalten.«
»In Ordnung«, stimmte er zu und fügte in vertraulichem Ton an: »Der gute Neil ist manchmal ein bisschen schwierig, weißt du. Ich denke, wir sollten ein Auge darauf haben.«
»Ja«, pflichtete Grace ihm bei. Sie hatte bereits seit Jahren ein Auge darauf.
»Und - wie geht‘s Mrs Carr? Gibt es was Neues?«
»Sie ist noch im Krankenhaus«, antwortete Grace, die keine Lust hatte, ihre fruchtlosen Anrufe in der Klinik zu schildern, lapidar.
»Aber was ist mit Michael? Du hast inzwischen doch bestimmt mit ihm gesprochen.«
»Äh ... wir sind dabei, etwas auszutüfteln«, wich sie aus.
»Na, großartig. Neil! Was glaubst du - wann kannst du herkommen? Ich frage bloß«, setzte er, offensichtlich nicht an einer Wiederholung ihrer letzten telefonischen Diskussion interessiert, hastig hinzu. »Ich will dich auf keinen Fall unter Druck setzen ... Neil! Entschuldige mich einen Moment, Grace.« Er hielt die Sprechmuschel zu. Grace hörte einen schnellen Wortwechsel in gedämpftem Ton, und dann war Ewan wieder da. »Jedenfalls hoffe ich, dass du bald kommst.« Jetzt klang er leicht gestresst. »Schließlich versäumst du deinen Urlaub.«
»Ja. Hier ist es nicht so aufregend wie bei euch. Ich werde mich jetzt mit einem Buch ins Bett verziehen.« Sie wusste nicht, warum sie ihre Situation als derart öde hinstellte. Sie hatte doch nichts zu verbergen.
»Dann wünsche ich dir eine gute Nacht«, sagte Ewan. »Und mach dir trotz allem eine schöne Zeit. Entspann dich mal so richtig. Ich komme mit den Jungs auch allein klar.«
»Freut mich zu hören.« Er konnte sich diesen Märtyrerton sparen - sie musste das ganze Jahr mit ihnen klarkommen.
»Das ist mein Ernst«, bekräftigte er seine Aussage. »Ich möchte nicht, dass du denkst, dass sie Trübsal blasen, weil du nicht hier bist.« Und dann krönte er diese
Weitere Kostenlose Bücher