Kleine Suenden zum Dessert
gehen.« Joey zog es vor, sich nicht zu äußern.
»Ich habe die Plakate in der Stadt gesehen. Scheint ein tolles Event zu werden«, plauderte Grace dahin, »aber seid ihr nicht ein bisschen zu früh dran?«
Einen ganzen Monat zu früh, um genau zu sein. Wieder folgte unbehagliches Schweigen. Martine verwünschte Adam wortlos dafür, dass er sich eine so neugierige Wirtin ausgesucht hatte. Joey reinigte mit einem Taschenmesser seine Fingernägel.
»Ich will Verwandte besuchen«, erklärte Martine schließlich. »Und Adam möchte sich die Gegend ansehen.«
»Ach ja?« Grace schaute ihn interessiert an. Adams Blick enthielt ein Flehen, aber sie ließ ihn zappeln. »Das haben Sie gestern Abend beim Essen gar nicht erwähnt.«
»Wirklich nicht?«, quetschte er zwischen den Zähnen hervor.
»Vielleicht haben Sie ihn so gut gefüttert, dass er nicht zum Reden kam«, meinte Joey. »Oder so was in der Art.«
»Vielleicht.« Sie stieß ein kleines Lachen aus.
Martine hatte nicht geschaltet. »Meine Wirtin ist das größte Miststück von ganz Europa«, beschwerte sie sich lautstark. »Ich habe in zwei Tagen keine einzige anständige Mahlzeit bekommen.«
»Vielleicht will sie Strom sparen«, murmelte Grace, die das Gefühl hatte, sich mit ihrer Kollegin solidarisch erklären zu müssen.
»Das will sie ganz bestimmt!«, giftete Martine. »Die Dusche ist mit Timer - nach fünf Minuten wird das Wasser eiskalt!«
»Oh! Das ist aber nicht in Ordnung.« Sparsamkeit war verständlich, aber hier wurde offenbar schiere Gemeinheit geübt. »Vielleicht sollten Sie mal mit ihr reden.«
»Vielleicht«, sagte Martine in zweifelndem Ton. »Ich würde ja ausziehen, aber ich weiß nicht, wo ich dann hinsoll.«
»Vielleicht zu Ihren Verwandten?«, schlug Grace vor. Sie beobachtete, wie Martine diese Möglichkeit kurz in Betracht zog und dann den Kopf schüttelte. »Die leben in einem Wohnwagen.«
»Ja - das tun die meisten Iren«, murmelte Grace.
»Sie haben nicht zufällig was frei in Ihrer Pension?«, fragte Martine.
Adam gefiel offenbar die Richtung nicht, die das Gespräch nahm. »Grace hat nur ein Fremdenzimmer.«
Das stimmte nicht. Es waren drei. Aber es spielte keine Rolle - Grace würde das Haus heute verlassen und Adam ebenfalls. Worauf wollte er also hinaus?
»Ich könnte auf dem Fußboden schlafen«, sagte Martine. »Ich kann doch nachher mit Adam hingehen und mir das Haus ansehen.«
»Das Haus gehört nicht Grace«, wandte Adam ein und warf Grace einen Hilfe suchenden Blick zu. Aus irgendeinem Grund wollte er Martine nicht in der Pension haben.
»Das ist richtig«, bestätigte Grace dem Mädchen. »Die Besitzerin Mrs Carr ist morgen wieder da. Dann können Sie ja bei ihr anrufen, wenn Sie wollen. Die Nummer steht im Telefonbuch. Aber sie kommt aus dem Krankenhaus, und ich bezweifle, dass sie gleich Gäste nehmen wird.« Sie aß einen großen Bissen Apfelstreuselkuchen - göttlich! -, wickelte den Rest und das Bananenbrot in eine Serviette und steckte das Päckchen in die Handtasche. Dann stand sie auf und nickte Martine und Joey zu. »Es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen.«
An der Tür holte Adam sie ein. »Entschuldige, dass ich heute früh ohne Abschied verschwunden bin.«
»Du musst dich nicht bei mir abmelden.«
Er schaute sie gekränkt an, und die Intensität seines Blickes machte sie beinahe schwindlig. »Ich hätte nicht gedacht, dass du eine Frau bist, die Spielchen spielt.«
»Hör zu, Adam - die Zeit läuft mir davon. Ich muss Leuten ein Haus zeigen und dann nach Dublin zurück.«
»Können wir uns davor noch kurz in Mrs Carrs Haus sehen? Allein?« Wieder dieser intensive Blick. »Na ja - ein paar Minuten werde ich wohl erübrigen können«, antwortete sie hoheitsvoll. Dann schob sie ihre Sonnenbrille ein Stück nach oben und ließ ihn stehen.
9
»Jetzt ist Ivy tot«, sagte Elizabeth, als Julia am späten Vormittag aufwachte.
»Reden Sie nicht so hässlich über sie«, rügte Julia ihre Bettnachbarin in scharfem Ton. Ivy hatte sie zwar wieder die halbe Nacht nicht schlafen lassen, aber das war kein Grund für so eine respektlose Bemerkung.
»Nein - sie ist wirklich tot!«, erwiderte Elizabeth mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Es war das Herz.« Jetzt schauten alle zu dem leeren Bett hinüber. Ivy war frühmorgens zum Röntgen abgeholt worden, und sie hatten angenommen, dass sie eben lange warten müsste. »Die Schwester, die sie zum Durchleuchten brachte, hat erzählt, dass sie
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