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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Dowling
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ohne einen Laut gestorben ist. Hat einfach aufgehört zu atmen. Und wir haben uns beschwert, dass sie keine Ruhe gab!« Sie fing an zu weinen. Julia langte hinüber und legte ihre Hand auf Elizabeths knochige Finger, doch es tröstete sie beide nicht.
    Um zwölf war Ivys Bett frisch bezogen und noch vor dem Mittagessen neu belegt. Die Geschwindigkeit und Nüchternheit, mit der das Personal zur Tagesordnung überging, war schockierend, und Julia ließ ihre lauwarme Portion Fischpastete und auch den Nachtisch unberührt zurückgehen. Nach einem kurzen Gespräch mit der Stationsschwester holte sie ihre Reisetasche aus dem Spind und begann zu packen. Es war ein mühsames Unterfangen mit den Krücken, und so war sie noch immer nicht fertig, als Michael eine halbe Stunde später kam.
    »Hallo Michael. Entschuldige, dass ich dich von der Arbeit weggeholt habe. Hat die Stationsschwester es dir erklärt?«
    »Was? Dass du aus einer Laune heraus beschlossen hast, die Klinik auf eigene Verantwortung zu verlassen?«
    »So hat sie es bestimmt nicht formuliert.«
    »Du sollst erst morgen entlassen werden, Mammy!«
    »Ja, aber ich habe entschieden, schon heute zu gehen. Ich muss nur unten am Empfang ein Formular unterschreiben. Niemand kann mich hier festhalten.«
    »Die Stationsschwester hält deine Idee für äußerst unvernünftig. Sie ist nicht glücklich über deine Entscheidung...«
    »Ich weiß - das hat sie mir schon gesagt. Was ist jetzt? Fährst du mich heim, oder muss ich Frank anrufen?« Michael hörte auf zu meckern und musterte sie besorgt. »Bist du okay, Mammy? Du siehst ein bisschen blass aus um die Nase.«
    »Es geht mir gut.«
    »Dann lass mich wenigstens zu Ende packen.« Julia schaute ihm, in eine Wolljacke gehüllt, von dem Stuhl aus zu, auf den er sie gesetzt hatte. Aus irgendeinem Grund wollte ihr einfach nicht warm werden. Wahrscheinlich hatte sie sich erkältet.
    »Möchtest du die Schmerztabletten in deine Handtasche stecken?«, fragte Michael.
    »Nein - bewahr du sie für mich auf«, hörte sie sich antworten. Sie, die alle Pillen gehortet hatte, derer sie habhaft werden konnte, um sich das Leben zu nehmen. Sie konnte es kaum noch glauben.
    Was hatte ihre Einstellung geändert? Vielleicht war es ihre Fußverletzung, die sie zwang, Krücken zu benutzen. Sie war noch nie in ihrem Leben in irgendeiner Form behindert gewesen und hatte keine Ahnung gehabt, wie es war, selbst in Kleinigkeiten auf andere angewiesen zu sein. Es veranlasste einen, auf die Körperteile zu achten, die noch intakt waren, und sie nicht mit Medikamenten zu vergiften. Sie hatte auch begriffen, dass Schmerz nichts Glamouröses hatte. Und Sterben noch viel weniger. Wie man an der armen Ivy sah.
    Vielleicht war es auch dieses Krankenhaus. In den paar Tagen hatte sie gesehen, dass es anderen noch viel schlechter ging als ihr, und das hatte sie beschämt. »Beeil dich, Michael«, trieb sie ihn an.
    Er bestand darauf, den Wagen zum Haupteingang zu holen, und dann ließ sie sich ins Auto helfen. Ohne sie zu fragen, verstaute er die Krücken im Kofferraum, was ein Gefühl der Hilflosigkeit und drohenden Unheils in ihr aufsteigen ließ, und sie umklammerte die Henkel ihrer Handtasche, wie man es oft bei sehr alten Frauen sieht. Als sie sich eine halbe Stunde später so weit gefasst hatte, dass sie ihre Umgebung wahrnahm, erkannte sie an den großen Pseudo-Tudor-Villen, dass sie sich in Michaels Wohnviertel befanden.
    »Ich dachte, wir essen bei uns einen Happen«, sagte er. »Die Stationsschwester berichtete mir, dass du heute noch keinen Bissen gegessen hast. Du musst wieder zu Kräften kommen, Mammy.«
    »Ich will schnell nach Hause, Michael«, protestierte sie. Zurück in die Normalität - oder was als Normalität galt. »Ich habe Gillian aus dem Büro angerufen, bevor ich zu dir fuhr. Sie macht uns einen Rinderbraten.«
    »Oh.«
    »Und ich dachte, danach könnten wir einen Blick in die Garage werfen.«
    Julia wandte sich ihm zu. »Das kommt mir alles zu plötzlich, Michael. Diese Granny-Wohnung, meine ich.«
    »Das verstehe ich - aber, wie wir schon sagten, es drängt dich niemand.«
    »Meinst du nicht, dass wir uns in dem Fall erst unterhalten sollten, bevor du irgendwelche Maßnahmen ergreifst?«
    »Es ist gar keine Rede von irgendwelchen Maßnahmen. Wir wollten nur, dass du dir den Raum ansiehst, jetzt, wo er ausgeräumt ist.«
    »Ihr habt ihn völlig ausgeräumt?«
    »Wir haben lediglich den Müll rausgeschmissen. Keine große

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