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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Dowling
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»Mögen Sie Fleisch?«
    »Ja, schon.«
    »Minnie knausert nicht damit. Sie tut richtig große Brocken rein. Irisches Rindfleisch! Und Möhren aus ihrem eigenen Garten! Und Zwiebeln und diese winzigen neuen Kartoffeln. Und die Brühe kocht sie aus den besten Knochen, die sie drüben bei Morrissey‘s extra für sie aufheben. Dann lässt sie das Ganze zwei Tage in einem großen Topf hinten im Hof ziehen, bevor sie es zubereitet.«
    Grace hatte den Verdacht, dass das gegen sämtliche Vorschriften des Gesundheitsamtes verstieß, aber trotzdem lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Und sie hatte nicht gefrühstückt!
    »Es macht wahrscheinlich unheimlich dick«, vermutete sie kummervoll.
    »Tödlich«, bestätigte die Bedienung. »Sie lässt das ganze Fett am Fleisch.«
    »Schöpft sie wenigstens das flüssige nach dem Kochen ab?«
    »Nein. Sie sagt, das gibt erst den richtigen Geschmack.«
    »Ich nehme eine Portion«, beschloss Grace.
    »Sie werden es nicht bereuen.«
    »Aber keine zu große!«
    »Wie wär‘s mit einer mittleren?«
    »Wunderbar. Und vielleicht etwas von dem selbst gebackenen Brot.«
    »Ich geb Ihnen zwei dicke Scheiben dazu und ein paar Kleckse Butter.«
    Die Bedienung nickte zufrieden und ging das Stew holen. Grace schaute sich wieder zu Adams Tisch um. Die drei führten ein sehr intensives Gespräch. Sie steckten die Köpfe so dicht zusammen, dass Adams Dreadlocks das Gesicht des Mädchens streiften. Sie wischte sie weg - richtig brutal! - und sagte etwas, das ihn zu empören schien. Er flüsterte mit wütender Miene zurück, doch sie brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. Offenbar hatte sie das Sagen. Worum es ging, konnte sie natürlich nicht beurteilen. Saß dort vielleicht eine der Aktivistengruppen beim Kaffee zusammen, die Sergeant Daly so beunruhigten? Lachhaft! Der Mann sah Gespenster.
    Die Bedienung brachte das Stew, und Grace stellte die Schüssel voller Vorfreude auf ihr Tablett. Als sie schließlich an die Kasse kam, hatte sie sich auch noch - ohne nennenswerte Gegenwehr - zu einer Portion Apfelstreuselkuchen mit Sahne, einem Glas Apfelsaft und einer Scheibe Bananenbrot überreden lassen, alles heute früh von Minnie der Zauberfee frisch gemacht. Grace versuchte, sie hinten in der Küche zu erspähen, aber es gelang ihr nicht. Wahrscheinlich war sie vor Erschöpfung zusammengebrochen. Unauffällig bewegte sie sich mit dem Rücken zu Adam auf den nächsten freien Tisch zu. Mit etwas Glück würde er sie nicht bemerken, und sie könnte in Ruhe essen und verschwinden. Aber sie hatte nicht bedacht, dass sie noch immer die schwarze Sonnenbrille trug, und die führte nun zu einem unheilvollen Missverständnis. »Hilf der Frau doch mal, Noel - sie ist blind!«
    »Nein, nein, ich bin nicht...«
    »Sie geht rückwärts, Noel - dreh sie um!« Offenbar war sie auch noch taub und ohne Orientierungssinn.
    »Ich komme sehr gut zurecht, danke ...«
    Aber Noel hatte einen Auftrag bekommen, und er baute sich vor ihr auf und nahm ihr das Tablett ab.
    »Dann wollen wir Ihnen mal einen Platz besorgen«, sagte er.
    Bitte, lieber Gott, lass Adam nichts mitkriegen! Ein schneller Blick zeigte ihr, dass die hitzige Diskussion noch im Gang war.
    »Ich nehme diesen Tisch«, erklärte sie Noel und deutete auf den freien, den sie im Auge gehabt hatte. Noel ließ sich von ihrer Fähigkeit, trotz ihrer Blindheit einen freien Tisch zu entdecken, nicht irritieren. Er ignorierte ihren Wunsch und steuerte auf das andere Ende des Cafés zu - und auf den freien Tisch direkt neben Adams. »Noel...«, flehte sie.
    »Lasst mal die Lady durch, bitte«, kommandierte er. Grace blieb nichts anderes übrig als ihm zu folgen. Ruckartig wurden Beine angezogen und Handtaschen aus dem Weg geräumt, damit sie nicht darüber stolperte. Hastig wurden Stühle an Tische gerückt.
    »Danke, vielen Dank«, murmelte sie, und für einen Moment genoss sie die Aufmerksamkeit, doch dann dachte sie schuldbewusst, dass Menschen, die tatsächlich blind waren, sie wahrscheinlich absolut nicht genossen.
    »Jetzt komme ich aber wirklich allein zurecht«, sagte sie leise zu ihrem hilfreichen Geist und setzte sich auf den Stuhl, der mit dem Rücken zu Adam stand.
    »Okay.« Noel tätschelte ihre Schulter. Er war ein netter Mensch. Es gab überhaupt eine Menge netter Menschen, dachte sie, als Noel mit vor Stolz nicht mehr ganz so gebeugtem Rücken an seinen Tisch zurückkehrte. Grace warf verstohlen einen Blick über die Schulter. Adam saß nur auf

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