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Kleiner Kummer Großer Kummer

Kleiner Kummer Großer Kummer

Titel: Kleiner Kummer Großer Kummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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wieder zum Bewußtsein, die Panik ist vorbei, und man kann viel leichter mit der Lage fertig werden.«
    »Das ist wahr«, mußte ich zugeben. »Aber wie steht es bei einem Unfall oder einem perforierten Blinddarm?«
    »Wenn so etwas passiert«, antwortete Dr. Cataract ruhig, »würde ich natürlich ein Taxi nehmen oder einen vorbeikommenden Wagen anhalten.«
    »Und bei Nacht?«
    »Ach, nur keine Sorge, Doktor. Ich habe meine Praxis fast fünfzig Jahre ausgeübt und versichere Ihnen, daß ich noch nie einen Patienten durch Saumseligkeit verloren habe. Es hat sich immer ein Weg gefunden. Sie haben doch meine Referenzen gesehen.«
    »Verzeihen Sie mir«, entgegnete ich, nicht ganz überzeugt, »es sieht heutzutage nur etwas seltsam aus, wenn jemand nicht Auto fährt.« Dann wechselte ich das Thema: »Haben Sie eine eigene Arzttasche?« fragte ich ihn, »oder soll ich Ihnen meine leihen?«
    »Ich trage nie eine Tasche mit mir herum. Das ist zu schwer und außerdem überflüssig.«
    Er langte in die ausgebeulten Taschen seines Dufflecoats und holte aus ihren Tiefen zwei Spritzen in sterilen Behältern, verschiedene Ampullen der gebräuchlichsten Injektionsmittel, eine mit einer Gummikapsel verschlossene Phiole mit Adrenalin, einen Rezeptblock, drei oder vier kleine Schachteln mit Schlaf- und Beruhigungstabletten und einen Plastikbehälter, in dem ich Pflaster, Watte und Verbandmull sah.
    »Alles, was ich in der Hand tragen muß«, sagte er, »ist der Blutdruckmesser, falls ich ihn brauche.«
    Ob ich wollte oder nicht, ich mußte ihn bewundern. Es schien, als habe er die Arztpraxis zu einer feinen Kunst entwickelt. Obschon ich zuerst etwas vor ihm zurückgeschreckt war, fühlte ich jetzt, daß meine Patienten in den verläßlichen und unerschütterlichen Händen von Dr. Cataract sicher aufgehoben sein würden. Außerdem war er ein angenehmer Mensch, den ich gern für zwei Wochen bei Sylvia im Haus lassen konnte.
    Sylvia, die mit ihm, während er auf mich wartete, eine Tasse Tee getrunken hatte, fand, daß man ihn einfach gern haben müsse, und war begeistert davon, daß er all seine Besuche zu Fuß machte. Sie war immer am Reden, daß ich nicht genug Bewegung hätte, da ich den größten Teil meiner Zeit im Wagen verbrächte, vergaß dabei aber nach echter Frauenart, daß ich wenigstens einmal, meistens zweimal in der Woche einige fünf oder sechs Meilen um den Golfplatz herumspazierte.
    Für den Augenblick war auch das Problem unseres neuen Wagens gelöst. Trotz George Leechs wiederholter Warnungen, daß in meinem augenblicklichen Rappelkasten nur noch wenig Leben stecke, waren wir zu dem Entschluß gekommen, daß wir uns wirklich keinen neuen Wagen leisten konnten.
    Als ich zum ersten Male, wie H. H. Brindley mir empfohlen hatte, die Angelegenheit mit Sylvia besprach, meinte sie: »Ich bin einmal mit einem Mann ausgefahren, der den himmlischsten Wagen der Welt hatte. Ich glaube, es war ein Aston Martin, und die Polstersitze waren mit echtem Leopardenfell bezogen.«
    Ich erklärte ihr, so einfach es mir möglich war, daß ich ein schlichter Arzt des britischen Gesundheitsdienstes sei und mir selbst bei einer größeren Anzahl Privatpatienten keinen Aston Martin leisten könne. Darauf hatten wir eine lange Diskussion über den »Kuchen«, den die Privatpatienten einbrachten im Vergleich zu Brot und Butter der normalen Kassenpatienten, und ich versprach, daß ich jetzt, nachdem die allgemeine Praxis lief, dieser Seite meiner Tätigkeit mehr Beachtung schenken würde. Ich wußte, daß es mehrere Leute in meinem Bezirk gab, die es vorziehen würden, eine private Rechnung zu bezahlen, wenn sie dafür nicht im überfüllten Wartezimmer zu sitzen brauchten, und ich sah nicht ein, warum ich daraus nicht meinen Vorteil ziehen sollte.
    Nachdem ich sie davon überzeugt hatte, daß ein Aston Martin mit Leopardenfellen oder ein Mercedes Benz - der stand bei ihr an zweiter Stelle - für uns unerschwinglich war, schwenkte Sylvia vom Vornehmsten zum Lächerlichsten um und meinte, wie es denn mit einem Kleinstwagen sei. Sie redete sich in Begeisterung bei dem Gedanken, wieviel Benzin ich dabei sparen würde, aber als ich sie daran erinnerte, daß ich sie ja auch manchmal mitnähme, verschwand ihre Begeisterung.
    Da es ja nur der verhaßte Archibald Compton mit seinem großartigen Allard war, der mich die Wagenfrage auf rollen ließ, und nicht etwa die Straßenuntauglichkeit meines eigenen Wagens, entschloß ich mich dazu, meinen

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