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Kleiner Kummer Großer Kummer

Kleiner Kummer Großer Kummer

Titel: Kleiner Kummer Großer Kummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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war. »Sie hat etwa einen Liter verloren, möchte ich sagen.« Schwester Mildmay huschte herum und versuchte, das Durcheinander zu verringern, behielt aber immer ein Auge auf der Patientin.
    Das Baby in dem Korb in der Ecke begann erneut zu weinen und hörte wieder auf. Draußen wimmerte eins der Kinder: »Mamma, Mamma!«
    »Sehen Sie zu, daß Sie sie ins Bett bekommen«, riet ich. »Wir werden höchstwahrscheinlich noch einige Zeit hier sein.«
    Als Schwester Mildmay zurückkam, war es klar geworden, daß ich Hilfe brauchte, um die Plazenta zu entfernen, weil es mit Narkose gemacht werden mußte. Das Bluten hatte noch nicht aufgehört, und Graziella würde auch eine Bluttransfusion benötigen. Ich lief zur Telefonzelle, um die Fliegende Geburtshelfer-Truppe anzurufen. Dieser Dienst war außerordentlich nützlich für einen praktischen Arzt, der plötzlich Geburtshilfe benötigte. Er bestand aus einem Krankenwagen, der immer startbereit war, einem Frauenarzt, Blutkonserven und einigen Schwestern. Für Graziella benötigte ich die Hilfe des Arztes - so, daß einer von uns die Narkose geben konnte, während der andere mit der Hand die Plazenta entfernte - und Blutkonserven, um das verlorene Blut zu ersetzen.
    Zurück im Schlafzimmer, warteten wir. Graziella war fast bewußtlos. Sie hatte etwa zwei Liter Blut verloren, und ihr Puls war kaum noch zu fühlen. Ich strengte meine Ohren an, um den Ton der Krankenwagensirene zu hören, und glaubte schon, ihn zu vernehmen, als die Frau von nebenan wieder zu schimpfen begann. Da lief ich zur Haustür hinunter.
    Der weiße Krankenwagen fuhr geisterhaft im Licht der Straßenlampe in die Sackgasse herein. Die Tür öffnete sich, und heraus sprangen drei dunkel gekleidete Schwestern, von denen jede ein Stück der benötigten Ausrüstung für die Bluttransfusion trug. Ebenso eilig folgte ihnen der weißgekleidete Arzt.
    »Hovis Brown!« rief ich aus, als er unter der Straßenlampe hindurchlief.
    Er blickte mich an, ohne langsamer zu werden.
    »Großer Gott!« sagte er.
    Hovis und seine Mannschaft brachten es irgendwie fertig, in dem winzigen Schlafzimmer nicht übereinander zu fallen, und wir begannen mit unserer ersten Arbeit, etwas von dem Blut zu ersetzen, das Graziella verloren hatte und immer noch verlor.
    Mit etwas Zagen versuchte ich, die Transfusionsnadel, durch die das Blut fließen würde, in die Vene an Graziellas Arm zu stechen. Ihr Blutdruck war jetzt so niedrig, daß die Vene praktisch zusammengefallen war. Zu meiner Überraschung gelang es mir beim ersten Versuch, und ich löste die Klemme an dem Schlauch, der die Nadel mit der Blutflasche verband. Es begann schnell zu fließen.
    Als die erste Blutflasche leer, war, ersetzten wir sie durch eine zweite, eine dritte und dann eine vierte. Während es floß, bereiteten wir alles für die Entfernung der Plazenta vor.
    Als sie den Inhalt der vierten Blutflasche aufgenommen hatte, hob sich Graziellas Blutdruck, und ihr Puls schlug stark genug für das, was wir jetzt zu tun hatten. Ich tropfte das Chloroform auf eine offene Maske, während Hovis, maskiert und mit Handschuhen, die Plazenta herausholte.
    Ich gab Graziella eine Spritze. Fast augenblicklich zog sich der Schoß zusammen, und die Blutung, die nun über eine Stunde dauerte, stand.
    Graziella, die durch den Blutverlust gar nicht wahrgenommen hatte, was geschehen war, richtete sich auf. »Cosa c’e?« fragte sie. Dann sah sie uns alle nacheinander an. »Was los, Doktoren?«
    »Nichts Besonderes«, beruhigte ich sie. »Sie haben nur etwas Blut verloren, das wir ersetzen mußten.« Ich zeigte in die Ecke. »Sie haben einen reizenden kleinen Jungen.«
    Sie blickte argwöhnisch auf Hovis’ weißen Kittel. »Ich krank, mich?«
    »Keineswegs. Es geht Ihnen gut, Bella!«
    »Grazie«, sagte sie und sank zurück. »Molto stanca...«
    Es war kaum überraschend, daß sie müde war.
    Als die Krisis vorüber war, gingen Hovis und ich in die Küche hinunter und überließen es den Schwestern, Graziella zurechtzumachen und das Chaos zu beseitigen. Eine aus seiner Mannschaft hatte Kaffee gekocht und durchsuchte Graziellas Speisekammer nach Zucker, den sie nicht finden konnte.
    »Da hast du allerhand Arbeit bekommen«, sagte ich zu Hovis, den ich seit unseren Studententagen nicht mehr gesehen hatte, und an dessen richtigen Namen ich mich nicht erinnern konnte. »Ich habe diese Einrichtung noch nie benötigt.«
    »Immer bereit, zu helfen«, erklärte er. Seine Haare waren so blond

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