Kleiner Musicalratgeber für Anfänger und Fortge
damit sie nicht das Zeitliche segneten. Was haben diese Dinger plötzlich den Markt geflutet! Fast jedes Kind hatte eins oder musste dringend eins haben. Sie waren also für kurze Zeit ziemlich trendy. Aber heute kräht kein Hahn mehr nach den Dingern und vereinzelt kriegt man sie noch heute als Restbestände für einen Appel und ein Ei im Ramschladen nachgeschmissen. Die wurden also mitnichten zum Kult!
Was aber, wenn etwas, was mal trendy war und folglich viele Anhänger gewann, diesen Trend überlebte? Stichwort: Minirock, Röhrenjeans, Disney! Kultig? Aber sicher! Gut, wir halten fest: Kultig ist etwas, wenn es eine gewisse Zeit des »In«-Seins überstanden hat und Jahre später immer noch ungebrochen populär ist. Denke ich an Musicals, so fallen mir spontan drei ein, die definitiv kultig sind: Das sind die »Rocky Horror Show«, »Phantom der Oper« und »Tanz der Vampire«. Und genau die drei Stücke wollen wir jetzt mal exemplarisch näher beleuchten: Was genau macht sie eigentlich so kultig?
Ein Kult muss immer drei Dinge beinhalten: Ein Objekt um das es geht, eine Reihe von ritualisierten Handlungen und eine Gruppe von Leuten, die dem Kult anhängen und diese Handlungen ausführen. 19
Nachdem wir das jetzt geklärt hätten, lasst uns die oben genannten Stücke einmal genauer betrachten und auf ihren Kultstatus untersuchen! Auf geht’s!
Rocky Horror Show: »Don’t dream it, be it«
Zeitung? Check. Wasserpistole? Check. Knicklicht? Check. Reis/Konfetti? Check. Klopapier? Check. Alte Spielkarten? Check. Wer sich auf diese Art und Weise auf einen Theatergang vorbereitet, leidet nicht etwa an Paranoia sondern plant einen Besuch beim wohl schrägsten und bizarrsten Musical der Welt. Ob es denn auch, wie der Werbeslogan propagiert, »bloody brilliant« ist, darüber kann gestritten werden. Aber wer will schon über Worthülsen streiten, wenn ihm zwei Stunden feinste Interaktions-Unterhaltung bevorstehen?
Doch worum geht es überhaupt? Das ist eine gute Frage, bei deren Beantwortung selbst viele Die-Hard-Fans ins Stocken geraten weil der Plot in der Tat ziemlich merkwürdig ist: Das junge, jedoch etwas spießig anmutende Pärchen Brad und Janet macht sich in einer regnerischen Novembernacht nach einer Reifenpanne auf die Suche nach einem Telefon. Irritierten Lesern der jüngeren Generation sei an dieser Stelle erklärend gesagt: Früher, also in ganz grauer Vorzeit, besaß noch nicht jeder Mensch ein Handy, so dass man unterwegs in freier Wildbahn oft auf etwas angewiesen war, was sich Münzfernsprecher (im neudeutschen Sprachgebrauch auch vereinfacht als »Telefonzelle« bezeichnet) nannte. Dabei geraten die beiden Frischverlobten unglücklicherweise in die Fänge äußerst bizarrer außerirdischer Kreaturen, angeführt von dem exzentrischen Wissenschaftler Dr. Frank-N-Furter.
Dieser hat sich in seinem Schloss ganz in Frankenstein-Manier an der Erschaffung eines Retortenwesens versucht – ziemlich erfolgreich, wenn man das blonde und gut gebaute Ergebnis namens Rocky Horror betrachtet. Primärer Zweck Rockys scheint wohl zu sein, die sexuellen Bedürfnisse seines Schöpfers zu befriedigen. Doch dieser ist gänzlich unersättlich und korrumpiert schließlich auch noch seine naiven und verklemmten Zwangsgäste. Das seltsame, unmäßige Treiben im Schloss mündet schließlich im Mord an Frank-N-Furter und der Rückkehr der übrigen Aliens zu ihrem Heimatplaneten Transsexual in der Galaxie Transsylvanien. Soweit, so unklar? Brad und Janet können zwar noch rechtzeitig fliehen, aber ihr Leben und ihre Wertvorstellungen sind durch die kurze, aber intensive Begegnung mit den Wesen vom anderen Planten wohl für immer verändert.
Klingt abgefahren? Ist es auch! Zudem ist das Stück noch gespickt von absolut genialer, rockiger und tanzbarer Musik. Als Schlagworte sollen uns hier »Sweet Transvestite«, »Time Warp« und »Hot Patootie« reichen.
Richard O’Briens Meisterwerk hat seit fast 40 Jahren absoluten Kultstatus. Seine Uraufführung feierte das Musical am 16. Juni 1973 in London. Die begeisterte – und interaktive – Publikumsrezeption machte rasch deutlich, dass O’Brien hier wohl ein großer Coup gelungen war, und tatsächlich: Zwei Jahre später flimmerte die Kinofassung des Musicals, die man »The Rocky Horror Picture Show« taufte, über die Leinwand. O’Brien selbst sang für den Film die Eröffnungsnummer »Science Fiction Double Feature«, die von Anspielungen auf Science Fiction Filme nur so
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