Kleines Herz in Not
mehr zu entkommen. „Auf der anderen Seite des Sees gab es ein Mädchencamp. Und wir Jungen nutzten natürlich jede Gelegenheit, um dorthin zu schleichen."
„Natürlich." Sie hätte ihn am liebsten weggestoßen, aber sie traute sich nicht. Ihn zu berühren wäre zu gefährlich gewesen. „Lass mich gehen, oder ich zertrümmere das Klavier."
Er überhörte ihre Drohung. „Was ist jetzt mit den beiden Küssen, die mir noch zustehen?"
Sie wollte ihn nicht küssen. Nicht Thomas Steele. Sie glaubte einfach nicht an körperliche Anziehungskraft. Kluge Frauen gingen nicht nach dem Aussehen eines Mannes, sondern nach seinem Charakter und seiner Persönlichkeit. Sie verliebten sich nicht in breite Schultern. „Es gibt keine Wette. Wie oft soll ich dir das denn noch sagen?"
Thomas löste mit einer Hand ihr zusammengebundenes Haar.
„Weißt du was, Cheyenne? Dein Haar duftet wirklich gut. Und dein Mund macht mich verrückt, wenn ich ihn nur ansehe.”
„Dann tu es doch einfach nicht", flüsterte sie. Sie würde seinen Mund auch keines Blickes würdigen. Und auch nicht daran denken, wie es sich wohl anfühlen würde, seine Lippen auf ihren zu spüren.
Sanft ließ er die Finger über ihre Wange gleiten. „Das ist wirklich eine Überraschung. Zum allerersten Mal, seitdem wir uns kennen, sind wir einer Meinung."
„Was?" Cheyenne konnte einfach nicht klar denken, wenn er sie so berührte.
„Ich soll deinen Mund nicht ansehen." Thomas umfasste ihr Gesicht und zeichnete mit dem Daumen Kreise auf ihre Wangen. „Also höre ich damit auf." Er senkte den Kopf.
Cheyenne stockte der Atem, als seine Lippen ihre fanden. Ein Schauer überlief sie, und sie klammerte sich am Aufschlag seines Anzugs fest. Der Seidenstoff fühlte sich so gut an. Sie hätte Thomas am liebsten überall mit den Händen liebkost. Sie wollte sein Gesicht fühlen, das Haar, die Schultern. Sein Mund fühlte sich so wundervoll an. Tief atmete sie den herben Duft seines After Shaves ein.
Aber plötzlich ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. Cheyenne bemerkte, dass er aufmerksam ihr Gesicht betrachtete, und sie hoffte, dass ihr nicht anzusehen war, wie sehr der Kuss ihr gefallen hatte.
Sie drehte sich um und ließ die Finger spielerisch über die Tasten gleiten. „Das war nicht fair. Glaub ja nicht, dass du noch einen zweiten Kuss von mir bekommst."
„Also gut, dann mache ich dir einen Vorschlag. Wenn du mich heute Abend zum Wohltätigkeitsessen bei den Nortons begleitest, verzichte ich auf den zweiten Kuss."
Zuerst wollte Cheyenne ablehnen, dann aber überlegte sie es sich doch anders und sagte spontan zu. Sie würde ihm zeigen, dass sie in einem Abendkleid genauso aussah wie all die anderen Frauen, die er kannte. Er würde merken, dass sie nichts Besonderes war, und dann das Interesse an ihr verlieren.
„Aber was machen wir mit Davy? Ich könnte meine Mutter fragen, ob er auf der Ranch übernachten darf."
„Prima Idee. Es hat ihm dort sehr gut gefallen."
Er machte sich also doch Gedanken über seinen Neffen. Ein kleiner Fortschritt, dachte Cheyenne. Sie musste ihn nur noch dazu bringen, einzugestehen, dass er und sein Neffe einander brauchten. Mehr wollte sie nicht von Thomas Steele. Seine Küsse konnten ihr gestohlen bleiben.
Er hatte Cheyenne Lassiter geküsst, um sich etwas zu beweisen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund faszinierte ihn diese Frau. Wenn er sie einmal geküsst hatte - so hatte er jedenfalls gedacht -, würde er feststellen, dass es nichts Bemerkenswertes an ihr gab. Und das würde ihn kurieren. Aber das hatte es nicht. Er hatte sich mit dem Kuss nur bewiesen, dass er sie am liebsten gleich dort auf dem Klavier geliebt hätte. Nur mit übermenschlicher Selbstbeherrschung war es ihm gelungen, sie wieder loszulassen. Er wollte sie noch immer.
Aber das stand nicht zur Debatte. Sie in sein Bett zu holen wäre bestimmt eine interessante Erfahrung, aber er befürchtete, dass eine Frau wie Cheyenne das sofort als ein Heiratsversprechen auslegen würde. Er wollte aber nicht heiraten. Weder sie noch irgendeine andere Frau.
Gut, dass mir noch der Leitsatz von Grandma Steele eingefallen ist, dachte Thomas erleichtert. „Gib einem Gegner nie einen Vorteil." Cheyenne Lassiter war hier und auf der Ranch eindeutig in ihrem Element. Aber wie wäre es, wenn er sie in seine Welt führen würde?
Und genau das hatte er mit der Einladung zu diesem Wohltätigkeitsessen bezweckt. Eine wirklich gute Idee, beglückwünschte Thomas
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