Kleines Herz in Not
ausschalten? Das Feuerzeug war eine tückische Waffe. Thomas war klar, dass er viel zu weit von Davy entfernt war. Das Risiko, vielleicht nicht mehr rechtzeitig zu ihm zu gelangen, wollte er erst eingehen, wenn er keine andere Wahl mehr hatte.
Ein Pferd auf der Weide wieherte, und plötzlich wusste Thomas, was er zu tun hatte.
Schnell lief er zum Ranchhaus zurück, während er fieberhaft überlegte. Er wollte die Pferde in die Scheune treiben, Karper ablenken und Cheyenne die Möglichkeit geben, Davy zu befreien. Und dann würde er sich diesen Wahnsinnigen so richtig vornehmen.
Der Plan funktionierte perfekt. Die Pferde beschnupperten die Äpfel, die Thomas aus der Küche geholt hatte, und folgten ihm gehorsam. Vorsichtig rollte er zunächst einen Apfel in die Scheune. Slots zögerte nicht lange und trabte hinterher. Und auch die anderen Pferde ließen sich nicht lange bitten. Mit donnernden Hufen preschten sie Slots hinterher.
Laute Flüche waren aus dem Innern der Scheune zu hören.
Thomas rannte zur Tür am anderen Ende und traf dort Karper, der sein Heil in der Flucht suchte. Mit einem gezielten Faustschlag streckte er seinen Gegner nieder.
In diesem Augenblick kam Worth mit zwei Polizisten in die Scheune gerannt. Und während Thomas sich die schmerzende Hand rieb, berichtete er ihnen kurz, was vorgefallen war. Die Polizisten halfen Karper auf die Beine und brachten ihn dann weg.
Davy kam wie ein Wirbelwind auf Thomas zugelaufen und warf sich in seine Arme. „Onkel Thomas!"
Thomas drückte ihn fest an sich. „Weißt du eigentlich, was du angerichtet hast, junger Mann?" Er hätte beinahe seine eigene Stimme nicht wieder erkannt, so heiser klang sie.
„Onkel Thomas, du zerquetschst mich ja."
Thomas lachte. „Das geschieht eben mit Kindern, die einfach weglaufen."
„Das ist ein prima Gefühl", erwiderte Davy strahlend.
Thomas sah Worth über Davys Kopf hinweg an. „Es tut mir Leid wegen der Pferde. Ich helfe gleich beim Einfangen."
„Nicht nötig", antwortete Worth. „Allie ist gerade gekommen. Sie sollten lieber ins Haus gehen und sich verbinden lassen."
Thomas blickte auf seine blutenden Knöchel. „Gute Idee." Er ließ Davy los. „Du solltest Allie mit den Pferden helfen. Immer hin laufen sie deinetwegen jetzt frei herum."
Davy ließ den Kopf hängen. „Bist du böse auf mich?"
„Nein, Davy. Aber das, was du heute Morgen getan hast, finde ich überhaupt nicht in Ordnung. Es war sehr ungehorsam wegzulaufen. Wir haben uns alle furchtbare Sorgen gemacht. Und was noch schlimmer ist, du hast Cheyenne in ernsthafte Gefahr gebracht. Wir werden später noch darüber sprechen. Jetzt geh, und hilf Allie."
Gehorsam rannte Davy los.
„Die Polizisten möchten nachher noch mit Davy und Ihnen sprechen, Thomas", sagte Worth. „Cheyenne haben sie schon vernommen." Er deutete auf die Scheune. „Sie ist noch da drin."
Cheyenne saß auf einem großen Heuhaufen. Thomas setzte sich neben sie. „Alles in Ordnung?"
„Ja. Danke. Die Idee mit den Pferden war wirklich gut. Und ich habe auch gesehen, wie du Karper niedergeschlagen hast. Woher hast du gewusst, dass er panische Angst vor Pferden hat?"
„Wusste ich nicht. Ich wollte ihn nur ablenken." Cheyenne blickte ihn nicht an, aber er entdeckte auch so die Tränenspuren auf ihren Wangen. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und getröstet.
Warum er sie stattdessen anschrie, war ihm selbst nicht ganz klar. „Was, zur Hölle, fällt dir eigentlich ein, allein hier aufzutauchen und Davy noch mehr in Gefahr zu bringen?"
Sie zuckte erschrocken zusammen. „Woher sollte ich wissen, dass dieser Verrückte hier auf mich wartet?" antwortete sie mit leiser Stimme. „Ich habe nur Davy gesucht. Er wollte zu Slots."
„Du hättest nicht ohne mich fahren dürfen."
„Warum? Du bist doch noch rechtzeitig erschienen, um den großen Helden spielen zu können."
„Darum geht es nicht", erwiderte er aufgebracht. Er hatte ihretwegen eine Heidenangst ausgestanden.
„Doch, genau darum geht es. Ich bin schuld daran, dass Davy Todesängste ausstehen musste. Hätte ich den Mann nicht beim Jugendamt angezeigt, hätte ich nicht versucht, dich und Davy zusammenzubringen, dann ..." Sie unterdrückte ein Schluchzen. „Ich dachte immer, dass ich für alles eine Antwort weiß. Aber jetzt ist mir klar, dass es nicht stimmt. Ich war nicht in der Lage, einen kleinen, verängstigten Jungen zu retten."
Die ausdruckslose Stimme passte so gar nicht zu Cheyenne.
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