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Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Titel: Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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gestellt haben, das ist ihre Schuld, mit der sie sich quasi selbst aus dem Paradies ausschließen. Denn nun kann nichts mehr so sein wie vorher. Mit Sex hat das ganze aus Gottes Perspektive also offensichtlich kaum zu tun. Und dennoch: Genau wie Adam und Eva selbst ihre sexuelle Identität erkennen und Scham über ihre Nacktheit empfinden, setzten Bibelinterpreten über Jahrhunderte hinweg Sexualität in unmittelbare Verbindung zur Sünde. Auf die Spitze trieb diesen Gedanken der Kirchenvater Augustinus (354 – 430) mit seiner ausgeklügelten Erbsündenlehre. Unter dem Einfluss dualistisch leibfeindlicher Strömungen seines antiken Umfelds entwickelte der zunächst selbst nicht gerade zurückhaltend lebende Kirchenvater im Laufe der Lebensjahre eine starke Abneigung gegen Körperlichkeit und Sexualität: Die Erkenntnis, die den beiden unschuldigen Paradiesbewohnern verboten war, sei nicht allgemeiner, sondern wohl eher rein leiblicher Natur gewesen, vermutete er. Im Paradies habe der Mensch Lust und fleischliches Begehren nicht gekannt. Erst mit dem Sündenfall habe das Vergnügen an der Lust die höhere Vernunft, den Willen und die Tugendhaftigkeit der Menschen quasi überrumpelt. Da Sexualität und Zeugung von nun an immer mit der sündhaften Lust verbunden gewesen seien, Kinder also nur unter dem Einfluss dieser Sündhaftigkeit gezeugt werden konnten, werde die Sünde beim Zeugungsakt unvermeidbar auf die Nachkommen übertragen.

    Dass es in der Geschichte vom Sündenfall eigentlich nur am Rande um die Sexualität ging und dass Liebe und Lust zu Gottes Schöpfung gehören und damit als wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens gewollt und für gut befunden worden seien – schließlich hat Gott die Menschen ja »als Mann und Frau« (1. Mose 1,27) erschaffen –, konnte Augustinus so nicht sehen. Körper- und Lustfeindlichkeit, Angst, Scham, Verachtung fleischlicher Lust und die Trennung von Liebe und Leidenschaftlichkeit bestimmten über Jahrhunderte hinweg und bis in die heutige Zeit hinein das Verhältnis der Christen zu ihrer eigenen Körperlichkeit und Sexualität. Dabei wird übersehen, dass der Bibel solch körperfeindliche Vorstellungen oder eine Trennung zwischen Körper und Seele völlig fremd sind.
    Gott hat die Menschen als Ganzes nach seinem Ebenbild geschaffen und ihnen sogar aufgetragen: »Seid fruchtbar und mehret euch« (1. Mose 1,28), und er »sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut« (1. Mose 1,31). In der Bibel gibt es sogar ein ganzes Buch – das Hohelied Salomos, eine Sammlung von Liebesliedern, die ein Paar aneinander richtet –, in dem in wunderschönen poetischen Bildern die Freude an der erotischen Liebe zum Ausdruck gebracht wird. Keine Spur von Scham oder Schuldbewusstsein. Das Paar erfreut sich einfach seiner Liebe und der körperlichen Nähe. Auch die Geschichte von Adam und Eva möchte Sexualität nicht mies machen oder verbieten. Dass sich Menschen auch körperlich zueinander hingezogen fühlen, ist mit der Schöpfung gegeben. Liebe im Zustand der Bewusstheit umfasst auch eine erwachsen gewordene erotische Liebe. Es geht dann weder um ein Ausklammern der Sexualität aus dem Leben noch um die reine Triebbefriedigung und die Suche nach immer neuen unverbindlichen Abenteuern. Liebe in Verantwortung und Bewusstheit für sich selbst und das Gegenüber, Liebe, die uns als ganzen Menschen erfasst, ermöglicht Erfahrungen, die über das eigene Ich hinausgehen. Man erfährt sich selbst und gleichzeitig das Fremde im anderen, das dank der Erkenntnisfähigkeit nun nicht mehr in paradiesisch dumpfer Gleichgültigkeit verharren
lässt, sondern von dem sich Menschen bewusst berühren und erfassen lassen können. Erotische Liebe ist nichts, was Gottes Willen entgegensteht. Sie ist keine Sünde, sondern Begegnung. Und lässt die Bedeutung einer neutestamentlichen Aussage erahnen: »Gott ist Liebe« (1. Johannes 4,16).
    Christen dürfen keinen SUIZID begehen
    »Du sollst nicht töten« (2. Mose 20,13), heißt es in den Zehn Geboten. Gilt das auch für das eigene Leben? Ja, meint die katholische Kirche in ihrem Katechismus, das fünfte Gebot verbiete auch »den Selbstmord und die freiwillige Beihilfe dazu, weil er ein schwerer Verstoß gegen die rechte Liebe zu Gott, zu sich selbst und zum Nächsten ist.« Die Bibel allerdings äußert sich nicht konkret zum Suizid. Die »Selbstmörder«, deren Geschichten sie erzählt — Saul, Ahitofel, Simri, Judas und andere —

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