Klemperer, Viktor

starker Übereinstimmung mit diesem Militärartikel steht R 3. XII von * Albert Buesche (s. o. Animisme !) das Porträt eines Oberlyceums; Wandlungen in der Höheren Schule. Es war das größte Oberlyceum des Berliner Westens mit über 700 Schülerinnen – (welches?) – mußte die traurigen Ruinen Berlins verlassen u. ist jetzt KLV-Lager (Kinder-Land-Verschickung) in oder bei böhmischer Kleinstadt (Zwischenaufenthalt in Sachsen) mit 120 Insassinnen, wovon kleinster Rest Berliner Abiturientinnen unter einer besonders tüchtigen Oberstudiendirektorin. An oberster Stelle steht der Sport – der amtliche Ausdruck ‹Leibesübungen› fließt hier noch unwilliger in die Feder als sonst – an zweiter die Musik. ‹Zwar hat unsere Schule die Gebietssiegerin für Hochsprung gestellt, aber die sonstigen Leistungen erreichen doch nicht mehr die Friedenshöhe›, sagt die Direktorin mit mütterlicher u. rührender Kümmernis. Im Schwimmen besitzt die Schule den Grund- u. Leistungsschein der Deutschen Lebensrettungsgemeinschaft. Bei den entsprechenden Übungen läßt die Directorin sich selber, heftig strampelnd, retten. Die Musik, ebenso der Deutsch- und Kunstunterricht, sind romantisch gefärbt, * Schubert u. * Schumann 3 überwiegen. Das Musische u. das Sportliche bilden die Charakteristika des deutschen höheren Unterrichts für Mädchen überhaupt. Nicht aber ihr A u. O. Einmal wird eine ganze Stunde Englisch gesprochen. Einmal schlug man sich tapfer im französ. Anfangsunterricht. Natürlich hat die ständige Gemeinschaft u. Zusamendrängung auch ihre Nachteile, aber die Vorteile sind doch groß. Wir haben totale Erziehungssituation . Wir kommen dem wirklichen Individuum zuhilfe. Wir sind darüber hinaus, Pseudo-Individuelles zu fördern; dafür ist das Gesetz der Gemeinschaft zu zwingend. Aber da wo wir eine wirkliche Gabe sehen, fördern wir sie, auch wenn anderes dagegen zurücktreten müßte. (Deßhalb hat man auch Wahlfächer) (Hier liegt die ganze Hypocrisie der nat.soc. Individualität klar am Tage). – Die Gesamtleistungen seien natürlich wegen der Hemmungen des Unterrichtsbetriebes gegen früher gesunken. – Aber immerhin, da man Vorbilder für die Tschechei aufstelle, auch halbtschechische Kinder aufnehme u. im Deutschen unterrichte, so leisten wir hier ein Stück Volkstumsarbeit .
    Zum Unterricht (wohl Extraneer-Unterricht der Halbtschechinnen) stimmt in gleicher Nummer R 3 XII der nicht-signierte Artikel Hüter unserer Sprache. Zur Arbeit der Deutschen Akademie . Die D. A. ist 1925 gegründet, sie sollte geistige Brücken zum Ausland schlagen. 1932 erweitert. Zwei Gebiete: Forschung u. praktische Arbeit im Sprachunterricht, Spracherwerbung .. Schon 1932 ! Jetzt wird nach besonders angepaßten Methoden auch Sprachunterricht an die Ausländer in Deutschland gegeben. Eben erschienen ist Bd. II des Jahrbuches der deutschen Sprache: Sehr, sehr wichtig für mich! Artikel darin über Wiedergeburt der deutschen Rechtssprache, über Spr. des Arbeitsdienstes, über Film- u. Funkdeutsch.
    Bibliographisch vermerke ich noch aus R. 19. Nov. * Martin Raschke Zwiegespräche im Osten. Der Mann ist Ende 1943 bei Newal gefallen. Eine ethisch philosophierende Skizze Der Nomade aus Tagebuch der Gedanken, Paul List Verlag Leipzig, läßt mich mehr als kalt. Der Nachruf setzt den Mann in Beziehung zu * Stifter. 4
    R. 3. XII: Der rechte Ehepartner. Kriegsprobleme der Gattenwahl von * Herbert Hahn. Die Partei hat immer mehr in Anspruch genomene Einrichtungen zur Ehevermittlung geschaffen. Natürlich wird der individuelle Wunsch berücksichtigt – (aber natürlich nicht der pseudo-individuelle). Es gibt Familienabende, es gibt Briefwechsel-Anstalten, man sucht nach Stam, Stand, Bildung Gleichartiges zusamenzubringen. Es zeigt sich in den Briefen der Frontsoldaten, wie stark die rassepolitischen u. eugenischen Grundsätze 5 unserer Zeit auch die ganz ungelenkte u. individuelle Wahl des Ehepartners beeinflussen. Immer wieder fordere man Erbgesundheit, ebenso Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung. (Zu den Sport- etc. Festen des Oberlyceums werden gern junge Offiziere eingeladen. Die Direktorin steht im Leben u. weiß was sie tut)
    R. 3. Dez. hat einen langen Aufsatz zu * Voltaires 250 Geburtstag von * Walter Mönch. 6 Sehr anerkennend, Voltaire, der Nicht -Revolutionär, behauptend, er sei bei uns nicht sonderlich bekannt, die ungeheure Literatur über ihn verschweigend. Mönch verweist auf sein Buch Voltaire u. *