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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Bettzeug u. Ähnliches auf Karren mit sich oder saßen auf Kisten u. Ballen. Zwischen diesen Inseln hindurch, an den Leichen u. Wagentrümmern vorbei, strömte immerfort Verkehr, Elbe auf und -abwärts, ein stiller erregter Corso. Wir bogen endlich – ich überließ mich E[ ]s Führung u. weiß nicht wo – rechts zur Stadt hin. Jedes Haus eine Brandruine, aber häufig Menschen davor mit gerettetem Hausrat. Immer wieder noch unversiegte Brände. Nirgends die Spur einer Löschtätigkeit. * Eva sagte: Das Lämchen, Der Fürstenplatz. Erst als wir an die Krankenhäuser kamen, orientierte ich mich. Das Bürgerspital schien nur noch Coulisse, das Krankenhaus bloß teilweise getroffen. Wir traten in den jüd. Friedhof. Von dem Haus, das die Leichenhalle u. * Jakobys kleine Wohnung enthalten hatte, stand dachlos das äußere Gemäuer, dazwischen sah man ein tiefes Loch im nackten Erdboden, sonst gar nichts, alles war vollkomen vertilgt. Merkwürdig klein wirkte dieser Raum; rätselhaft, wie er die Halle, die Wohnung u. noch einige Nebenräume enthalten hatte. Ich ging die Allee hinunter zu dem Gärtnerschuppen in dem ich * Steinitz, * Schein u. * Magnus oft beim Skat getroffen hatte. Viele Grabsteine u. = Platten waren umgeworfen oder beiseite geschoben, viele Bäume geknickt, manche Gräber wie angewühlt. (Wir fanden nachher noch in einer ziemlich entfernten Straße ein Stück Grabstein, Sara ... war darauf zu entziffern. Der Gärtnerschupppen stand kaum beschädigt – aber nirgends war ein Mensch zu sehen. Einen Keller hat es auf dem Friedhof nicht gegeben – was mag aus * Jakoby u. seiner Familie geworden sein 1 ? –
    Wir wollten nun nach der Borsbergstr zu * Katz, teils um Anschluß zu finden, teils meines Auges halber, aber überall in den Straßen war Schutt u. rauchiger Staub, überall brannten noch einzelne Häuser. Als eines davon wenige Schritte vor uns in sich zusamenstürzte, natürlich mit ungemeiner Staubentwicklung, gaben wir den Versuch auf. Langsam mit vielen Pausen, sehr erschöpft gingen wir den gleichen Weg zurück, den wir gekomen. Dort flutete der gleiche Corso wie zuvor. Dann suchten wir noch am Platz vor der Zeughausstr, ob sich dort jemand von den unsrigen finde. Die Zeughausstr 3 war ein einziger Geröllhaufen, von der Zeughausstr 1 stand, der Stadt zugekehrt, ein Vorderpfeiler mit einem Stückchen Mauer galgenartig daran hängend. Das ragte gespenstisch u. gefährlich u. verstärkte nur das Bild der absoluten Zerstörung. Wieder kein Mensch. Wir lagerten uns nun an der Außenmauer der Brühlterrasse, Schmalseite. Wir fanden dort * * Waldmann s u. * * Witkowskys, dazu ein älteres * * Ehepaar Fleischner. Waldmann rühmte sich, einige 40 Leute, Juden u. Arier, aus der Zeughaus 1 gerettet zu haben; dort sei niemand umgekomen. Er wußte auch von irgendwoher, daß die Ménages * * Steinitz u. * * Magnus heil seien 1 – von allen andern wußte er nichts. Sehr merkwürdig berührte es mich, daß sich der ganz verlorene Witkowsky zäh u. agil unter den Lebenden befand. –
    Auf dem Platz vor uns hielt ein Sanitätsautomobil; Menschen umlagerten es, Bahren mit Verwundeteen lagen in seiner Nähe am Boden. Auf einem Bänkchen beim Eingang des Autos machte ein Sanitäter Augeneintropfungen; mehr oder minder mitgenomene Augen waren überaus häufig. Ich kam rasch an die Reihe. Nu, Vater, ich tu Ihnen nicht weh! Mit der Kante eines Papierstückchens holte er einigen Unrat aus dem verletzten Auge, machte dann eine ätzende Eintropfung in beide Augen. Ich ging, ein wenig erleichtert, langsam zurück, nach wenigen Schritten hörte ich über mir das bösartig bösartig stärker werdende Summen eines rasch näher komenden u. herunterstoßenden Flugzeugs. 2 Ich lief rasch auf die Mauer zu, es lagen schon mehr Menschen dort, warf mich zu Boden, den Kopf gegen die Mauer, das Gesicht in die Arme gelegt. Schon krachte es, u. Kiesgeröll rieselte auf mich herab. Ich lag noch eine Weile, ich dachte: nur jetzt nicht noch nachträglich crepieren! Es gab noch einige entferntere Einschläge, dann wurde es still. – Ich stand auf, da war * E. inzwischen verschwunden. Fleischners hatten sie eben noch gesehen, ein Unheil hatte sich hier nicht ereig ereignet: so war ich nicht sonderlich besorgt. Immerhin dauerte es wohl zwei Stunden, bis wir uns wieder trafen. E. hatte beim ersten Bombenabwurf wie ich an der Mauer in Deckung gelegen, nachher einen Keller an der Elbe aufgesucht. Ich suchte sie längs der Mauer, dann mit

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