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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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immer sein Gegner, dabei eifriger Nazi u. Rassenmann. Er legt im Seminar seine Schriften gegen mich aus u. nicht meine Entgegnungen, sagte V. Und sie: Mein Mann ist überhaupt sehr vereinsamt. Ich beobachtete an ihm eine gewisse stolze Eitelkeit auf seine (einstigen) Erfolge. Das ist der Mann, der mich zum Ehrendoctor gemacht hat 6 , sagte er seiner * Frau von mir. Ich: Es wird nicht der einzige Dr. h. c. geblieben sein. – Coimbra u. Madrid sind hinzugekomen. .. Er erzählte dann von Reibungen mit der natsoc. Regierung u. von seiner aufrechten Haltung. Er habe Vorträge in Italien u. Spanien gehalten. Eines Tages komt der italienische Consul zu ihm: er schäme sich, aber * Voßlers diesjährige Vorträge müßten ausfallen, als unerwünscht. Vertraulich setzt er hinzu. Auf Pression der deutschen Regierung, die offiziell ihre Erlaubnis zu diesen Auslandvorträgen V. s gegeben hat. Darauf habe er, Voßler, in einem sehr deutlichen Schreiben an die Regierung alle weitere Auslandtätigkeit abgelehnt. Einige Zeit später habe man ihn gedrängt, einen hohen Posten in Spanien anzutreten. Man habe ihm versichert, er brauche keinerlei nat.soc. Propaganda zu treiben, er könne ganz er selber sein.
    Er habe abgelehnt; es ha er könne nur im Stratosphärenflug, 7 000 m. hoch, nach Spanien gebracht werden, das sei für sein 72jähriges Herz eine zu große Strapaze. – Ich erzählte ihm u. seiner Frau mein Judenschicksal u. die Gefahr meiner Flucht. Für mich sind Sie arisch, ich weiß nichts anderes. Beide berichteten von * Cossmann, 1 dem Hg. der Süddeutschen Monatshefte, dem Nationalisten des ersten Weltkriegs. Frau V., ich glaube eine geb. Thiersch, war seine Sekretärin, hat in diesem Amt V., den Witwer kennen gelernt. Cossmann, frömmster Katholik – er bete für * Hitler, denn auch H. habe eine unsterbliche Seele! – war Volljude u. Sternträger, saß ein Jahr im Gefängnis, starb als Siebziger in Theresienstadt . (Was ich dann gestern, 16. IV., von der * Lehrerin hier noch einmal hörte. Theresienstadt in Unterbernbach nennen hören!!) – Ein paarmal ging das Gespräch über Persönliches hinaus. V. erzählte von Spanien: unter der Regierung * Franco muß jeder Studierende, einerlei welcher Fakultät u. welchen Faches, zwei Jahre katholische Theologie mitstudieren. Der Unterrichtsminister habe ihm, Voßler, gesagt: dies sei nicht Gewissenszwang, sondern es sei notwendig, damit jeder Student die Grundlagen der spanischen Kultur kennen lerne. Ich: das sei noch nicht einmal falsch. V.: ja, aber in Wahrheit laufe es auf Gewissenszwang u. Gesinnungsschnüffelei hinaus, der Student habe nicht nur die theolog. Vorlesungen zu hören, sondern auch die Messe zu besuchen etc. Für LTI benutzen: welche ungeheurer Unterschied zum Natsoc., diese Katholizität! – Über * Mussolini, den er immer gehaßt, spottete er, u. war dabei ganz der alte junge * Voßler. M. sei sehr früh senil geworden u. lächerlich; ganz Rom habe über seine Liebesaffairen mit den * * Schwestern Petacci 2 gelacht, ein römischer Dialekthumorist von den Signorine Venticoli 3 gesprochen. – Bei alledem konnten uns aber V. s in der Unterkunftsfrage keinen Rat erteilen. Frau V. bot uns nur Übernachtung an, falls wir nirgends unterkämen, wir mußten ihr versprechen zurückzukomen, wenn sich kein Hôtel oder Zimmer fände. Aber V. selber war schwer ermüdet, fast ein bißchen apathisch u. verabschiedete sich sofort in endgültiger Form von uns. – * Frau V. begleitete uns, zeigte uns erst den Blick auf die Stadt (ich glaube die Maximilianstr.) von einem großen Balkon aus. Der Gang, der zu ihm hinführte, hatte Beschädigungen, das Dachgeschoß des Maximilianeums war getroffen worden u. ausgebrannt. Dann führte uns Frau V. zur nahen T[h]ierschstr., wo sich das Umsiedlungsamt befindet, aber am Sonntag geschlossen war. Auf der Isarbrücke sagte sie: Die Athene hier hat mein Vater nach meiner Schwester modelliert, im Justizpalast sind seine besten Sachen zerstört worden. (War * Thiersch Münchener Bildhauer, 4 ist Frau V. seine Tochter? Ich habe einmal etwas Derartiges von * Lerch erzählen hören.) –
    Wir gingen zur Stadt zurück. Um wieviel Uhr? Die intriganten Uhren Münchens. Die allermeisten (auch fast alle auf dem Bahnhof) sind zu verschiedenen Zeiten stehen geblieben u. ganz außer Curs. Einige wenige gehen u. gehen richtig. Aber welche?
    Wir suchten nach Unterkunft, erst in Hôtels – vergeblich –, dann in uns genannten oder von uns selbst

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