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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Badezimmer von dem mehrtägigen grauen Stoppelbart befreit und ganz abgeseift, und das alles war nicht der [ der ] kleinste Genuss dieser Tage. Die ich aber doch nicht missen möchte.
    Von * Sussmann b[.] will ich schreiben, wenn es in vier Wochen Wahrheit geworden ist oder nicht. Zu c. Darüber muss ich einen Antwortbrief schonend verfassen. Das Religionsgespräch ist nicht schlechter und nicht besser als die übliche Predigt eines aufgeklärt toleranten Kleinstadtpastors, braves Zuckerwasser. a, der Familienzwist, ist einfach ekelhaft. * Grete, nach langer Pause, suchte Annäherung an * S. Lotte sagte am Telephon: SIE wagen es anzurufen? und hängte ab. Grete schwört, sie habe nie von * Wallys schwerer Erkrankung gehört, sie sei selber zu leidend gewesen, zur Beerdigung zu kommen, sie sei von Sussmanns schlecht behandelt worden und habe doch ihrer Nichte so unendlich viel geschenkt. * Martin und Lotte beschwören von ungefähr allem das strikte Gegenteil, wobei Lotte ähnlich unbeherrscht und masslos in ihren Äusserungen ist wie Grete, die mich förmlich zur Einmischung als einer Bruderpflicht zwang. Wobei natürlich nichts herauskam. Grete sprach recht deutlich und unverblümt von ihren Enterbungsabsichten, sie sprach sehr deutlich von ihrem Hass gegen * Marta, deren Tod sie nicht bedauern würde, sie erzählte von einem immer wiederkehrenden Angsttraum, worin sie sich mit Marta prügle, deren Klatschereien an allem Schuld trügen; Lotte gebrauchte mit Emphase Worte wie: Das ist von dem Biest infam gelogen – kurzum, es war zum Speien widerwärtig. Ich gebe auf Lottes hysterische Aussagen nichts, auf Gretes noch weniger als nichts; ich gäbe auf Sussmanns ruhige Meinung alles, wäre er in diesem Fall nicht der trauernde Gatte, und wäre mir nicht die Engherzigkeit seiner Seligen sehr peinlich im Gedächtnis. Und Grete war lange Zeit Sussmanns Pensionärin. Und so will es mich schier bedünken 1 ... Meine drei Schwestern: Grete sehr begabt und ein stark egoistischer im letzten unguter Charakter, dazu hysterisch; * Wally unbegabt, bauernschlau, geizig, engherzig, ungut. Marta im Kern durchaus gutherzig, aber unerträglich hysterisch und taktlos, unmöglich im näheren Umgang, geistig begabter als Wally, unbegabter als Grete, in manchem durch unseligste Ehe entschuldigt, in vielem an der Unseligkeit dieser Ehe selber schuld. * Lotte S. begabt, gutherzig, durchaus hysterisch, sexuell unbefriedigt, ganz sprunghaft, brüchig, unzuverlässig, übrigens Irrenärztin.
    Von * Sussmann b will ich heute nur berichten, dass er aufs bestimmteste behauptet, die Wahlresultate neulich seien gefälscht, * H. habe nicht 50 % erhalten, in einem bestimmten Fall der Provinz Brandenburg seien 83 Jastimmen gezählt und 583 angegeben worden. Ich glaube das nicht: die meisten schrieben Ja aus Angst vor dem Bruch des Wahlgeheimnisses.
    Das Kino. 1) Die schöne Frau Sylvelin. 2 Gar kein Kino, eigentlich gar kein Theater, sondern nur ein kaum unterbrochener dramatischer Monolog * Georges. die andern Leute ganz nebensächlich. Der Gewaltmensch und Unternehmer; die Frau fühlt sich vernachlässigt, verlässt ihn; er bricht innerlich zusammen, sie kehrt zurück, er lebt auf. Das spricht und spielt er ungemein ergreifend. Ich sagte, er spiele auf * Jannings; * Grete: Jannings sei der jüngere und habe von ihm gelernt. Ungeheuer, wie jetzt der Film das Theater übertrifft. Die unwesentlichen Nebenrollen: der tote * Abel als Freund und Helfer des Mannes gut, die schöne Frau, * Maria von Tasnady 3 farblos, die ruppige Tochter aus erster Ehe, * Carla Rust, 4 wie eine Zwei Mark fünfzig Hure. – 2) Im siebenten Himmel. 5 Ich hielt das erst für einen französischen Film, aber * Eva sagte gleich: durchdringend amerikanisch und hatte recht. Kindlich sentimental, sadistisch, naiv in seinen Erörterungen über den lieben Gott, die Äusserungen des Glaubens und Unglaubens, dabei die hübschesten Scenen und fast durchweg das beste, bisweilen tragische, bisweilen komische Spiel. Auch ein beträchtlicher Schuss Spiritismus. 1914, Pariser Elendsviertel, die tugendhafte, zur Untugend von der Schwester gezwungene Dirne, der philosophische ungläubige Kanalarbeiter, der zum Strassenfeger befördert wird, die Liebe der beiden, der Krieg, Treue und tägliches Beisammensein der Seelen, er kehrt erblindet heim – Beglücktheit. In alledem sehr humorvolle Scenen und wirklich bestes Spiel. Sie: * Simone Simon, 6 Er:so etwas wie * Stuart. 7 – Ein Vorspiel, das

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